Wir schlagen uns durchs Bergland von Panama, als wir einmal mehr von einer Panne heimgesucht werden. Costa Rica verwöhnt uns mit tollem Flair und neuen Freunden. Und könnte gleichzeitig das unerwartete Ende der Reise bedeuten.
Wieder einmal quälen wir uns bei brütender Hitze links und rechts an der Blechlawine auf der Panamericana vorbei. Endlich kommt der Abzweig. Die Straße ist zwar löcherig wie ein Schweizer Käse, bringt aber nicht nur Fahrspaß sondern auch angenehmere Temperaturen. Unser Ziel sind die Thermalquellen von Caldera. Immer wieder queren wir Flüsse, fahren durch dichte Wälder und an Bananen- und Kakaoplantagen vorbei. Hier im Hinterland herrscht kaum Verkehr und wir freuen uns auf einen Zeltplatz fernab von allen Touristen. Caldera selbst ist nur eine kleine Ansammlung von Häusern. Den Abzweig zu den Quellen hätten wir beinahe verpasst, da es sich um eine unscheinbare, dennoch grobe Schotterpiste handelt.
Die nächste Panne
Wir halten links und rechts der Straße Ausschau nach einem geeigneten Campingspot, als plötzlich die Temperaturleuchte der Dakar aufleuchtet. Keine Ahnung, wie oft wir das schon erlebt haben. Routiniert halten wir an. Während wir den Motor abkühlen lassen, zücken wir Werkzeug und Kühlmittel. Doch diesmal gestaltet sich die Sache ein wenig anders als zuvor. Nun ist es der bereits einmal reparierte Ventilator, der sich jetzt endgültig verabschiedet hat. Immerhin hat er seit Chacas in Peru durchgehalten.
Doch seit der Katastrophe von zweieinhalb Wochen Festsitzen im abgelegenen Chacas im peruanischen Hochland haben wir Ersatz an Bord. Ein neuer Ventilator aus einer Pulsar NS 200 wird – wie zuvor schon an der GS – den qualitativ jämmerlichen Originallüfter ersetzen. Das setzt allerdings einige Modifikationen an den Zargen beider Lüfter voraus. Dazu ist ein Minischleifer a la Dremel nötig. Es bleibt also nichts anderes übrig, als ins 30 km entfernte Boquete zu fahren.
Campingplatz und Werkstatt liegen in dem beschaulichen, von Bergen eingerahmten Städtchen nur 100 Meter voneinander entfernt. Hier lassen wir den Rahmen des indischen Ventilators für die BMW zurecht schneiden. Zufällig findet in dem Städtchen gerade das Blumen- und Kaffeefest statt und wir beschließen, noch einen Tag zu bleiben.
Giftcocktails
Durch die Berge geht es Richtung Karibikküste. Je höher wir kommen, desto windiger wird es. Die Brise wächst sich zu einem wahren Sturm aus – die heftigsten Turbulenzen, denen wir auf unserer Reise bis dato außerhalb Patagoniens ausgesetzt waren. Wir durchqueren auf einer Schotterpiste die Caldera eines erloschenen Vulkans. Das Panorama ist wunderschön, aber an Anhalten ist bei dem Wind nicht zu denken. Die Straße neigt sich schließlich steil bergab, die Flora wird immer tropischer und die Temperatur immer heißer. Schließlich fahren wir durch endlose Bananenplantagen in Monokultur. Wir sind in den Gefilden das Fruchtkonzerns Chiquita, wo Flugzeuge unentwegt riesige Mengen an Pestiziden versprühen. Die Region weist eine astronomische Krebsrate auf, Fehlgeburten oder Fehlbildungen sind an der Tagesordnung. Für den Anbau eines Lebensmittels für den europäischen Markt, das eher einem Giftcocktail gleicht und gar für Kinderhände gänzlich ungeeignet ist.
Audienz beim König
Hinter den riesigen, eintönigen Bananenfeldern gibt es tatsächlich noch ein Dorf, Boniyk welches von den Naso, einem indigenen Volk bewohnt wird. Zum Naso-Stamm gehören etwa 3500 Menschen, die sich hier auf wenige Dörfer verteilen. Es ist ein Stamm von amerikanischen Ureinwohnern, die in einer von der panamaischen Regierung tolerierten Monarchie leben und auch eine eigene Sprache sprechen. Der König, welcher alle 5 Jahre gewählt wird lässt sich am späten Abend dann auch blicken. In Sandalen, Shorts und verwaschenem T-Shirt gibt er uns einen schnellen Händedruck, bevor er wieder ins Boot springt und den etwa zweistündigen Rückweg in sein Dorf antritt.
Die Suche nach der Kuh
Wir treffen unsere Freunde Stephan und Gaby wieder, die mit ihrem Pickup-Camper ebenfalls gen Norden fahren.Zu viert machen wir anderntags eine Bootstour im Humedal San San Pond Sak. einem rund 160 km² großen Feuchtgebiet. Die Umweltschutzorganisation Aamvecona engagiert sich hier für den Schutz der Meeresschildkröten und bietet Touren an, um die scheuen Manatis (Seekühe) zu beobachten. Die sanften, bis zu vier Meter großen Meeressäuger ernähren sich ausschließlich von pflanzlicher Kost. Gemütlich tuckern wir über den Fluss San San, sehen Leguane und Faultiere, die es sich in den Bäumen bequem gemacht haben. Ein Schild um Ufer erklärt, dass unter anderem Rewe und Chiquita hier ihren Beitrag zur Erhaltung des Feuchtgebietes geleistet haben. Im gleichen Moment sehen wir ein Flugzeug welches Richtung Bananenfelder fliegt um diese mit Insektiziden einzunebeln. Hier liegen Zerstörung und Erhalt direkt nebeneinander.
Wir halten an einer Plattform direkt neben den Mangroven. Hier wurden Bananenblätter ins Wasser gehängt, um die Manatis anzulocken. Jetzt heißt es warten, und zwar in aller Stille. Wir harren 2 Stunden wortlos aus aber es lässt sich keines der Tiere hier blicken. Unser Guide zeigt uns Fotos vom gestrigen Tag, als die Seehkühe sämtliche Blätter abgegrast haben. Kein Wunder, die sind eben noch satt.
Strandleben
Nun wird es Zeit für Land Nummer acht, Costa Rica. Der Grenzübertritt ist schnell erledigt und wir suchen uns einen Campingspot direkt am Strand unter Palmen. Der perfekte Ort um ein paar kleinere Wartungsarbeiten und Reparaturen vorzunehmen – und einfach mal nichts zu tun. Wir haben uns mit Gaby und Stephan hier verabredet.
Eine Familie Brüllaffen wird auf uns aufmerksam, neugierig beobachten sie unser Treiben aus den Bäumen heraus. Sonst ist es umgekehrt: Wir laufen los, um Affen zu suchen und zu beobachten.
Flatterhaft
Bei einem Besuch von Ara Manzanillo, ein Projekt zur Wiederansiedlung der großen grünen Aras in der Region, sehen wir, wie die bunt gefiederten Vögel durch die Lüfte schwingen und sich in kleinen Gruppen unter lautem Palaver auf Ästen niederlassen. Die Tiere wurden erfolgreich ausgewildert, nisten aber im näheren Umkreis und besuchen die Station täglich. Sie wissen, wo es gutes Futter gibt.
Nach einigen Tagen Sonne und Strand wird es Zeit, den Sand aus den Klamotten zu schütteln. Neben Hunden und Moskitos nehmen wir noch einen dritte Spezies auf die Liste unserer Todfeinde: Ameisen. Zum wiederholten Mal hat uns die vermeintliche Polizei des Waldes die Zeltunterlage und den Zeltboden durchgenagt und sich Zutritt ins Innere unserer Behausung verschafft.
Neue Freunde
Uns zieht es wieder in die Berge. Schön kurvig windet sich die Straße in die Höhe und es wird sogar angenehm kühl. Die Vulkane verkriechen sich lieber in den Wolken, so dass sich ein Abstecher kaum lohnt. Wir drehen eine Runde um den Cachi Stausee bevor wir uns mit einem Zwischenstopp in Cartago schließlich in die wuselige Hauptstadt San José wagen.
Die Stadt hat nichts weiter zu bieten, aber wir treffen hier Oscar und Noilyn, ebenfalls Motorradfahrer, bei denen wir Unterkunft beziehen. Beim Abendessen erzählen uns die beiden, dass sie Ende der Woche nach Nicaragua zu einem Motorradtreffen fahren. Wir wollten Costa Rica zwar nicht so schnell wieder verlassen. Aber auf die Frage, ob wir mitkommen wollen, überlegen wir keine 2 Sekunden. So wird es abgemacht. Den nächsten Tag fahren wir über den Cerro de la Muerte (Berg des Todes) welcher sich aber ebenfalls in den Wolken versteckt, bis zur Pazifikküste. Dann halten wir uns bereits gen Norden zur Grenze nach Nicaragua.
Horror Grenzübertritt
Die Prozedur an der Grenze ist für uns die bisher schlimmste und kostet nicht nur sehr viel Geld sondern auch Nerven. Kaum haben wir die Tür zur Grenzstation geöffnet müssen wir schon einen Dollar pro Nase abdrücken für die Gemeinde. Dann werden wir von einem Schalter zum nächsten geschickt und wieder zurück. Immer wieder wird die Hand aufgehalten um noch eine Gebühr zu entrichten. Wir sind genervt und gar nicht mehr sicher, ob wir noch mal nach Costa Rica zurückfahren und dann bei der Wiedereinreise nach Nicaragua die gleiche Prozedur über uns ergehen lassen sollen.
Viereinhalb Stunden und rund 50 Dollar später ist es endlich geschafft und wir rollen durch die Schranke. Nun heißt es Gas geben, schließlich wollen wir noch bei Tageslicht Rivas erreichen, wo wir uns mit den Ticos (so nennen sich die Einwohner Costa Ricas) treffen werden.
Andrea überfährt Marianne
Trotz der vielen Lkw die es zu überholen gilt, kommen wir gut vorwärts. Bis uns die Polizei rauswinkt. Andrea hat über die durchgezogene Mittellinie überholt, das weiß sie auch. Zu dumm nur für den Polizisten, dass uns gerade unser komplettes spanisches Vokabular verlassen hat. So zückt er sein Handy und übersetzt mit Google ins Englische. Schon der erste Versuch zeigt, wie schlecht die Übersetzung ist. Andrea muss sich ein Schmunzeln verkneifen. Sie hätte die Marianne überfahren und soll jetzt Geld bezahlen, heißt es in der „Übersetzung“. Wir wissen zwar nicht, wer diese Marianne ist aber da war definitiv niemand auf der Straße. So müssen wir nicht mal ahnungslos spielen.
Der Polizist berät sich mit seiner Kollegin. Diese ist schon cleverer und findet heraus, dass man in Deutschland deutsch spricht. Nützt ihr leider auch nichts, denn wir zeigen ihr, dass die Übersetzung nicht funktioniert. Als Antwort tippen wir völligen Blödsinn ein, wie „Ich rauche kein Spanisch, bla und blubb“. Sie versucht es dennoch hartnäckig. Dass sie nur eine laminierte Führerscheinkopie in der Hand hält, welche die 20 Dollar nicht wert ist, merkt sie nicht. Nach etwa 20 Minuten hin und her geben sie es schließlich auf. Beim davonfahren, geben sie Andrea noch den Fake-Führerschein zurück. Bisher hat die Strategie immer geklappt.
Am nächsten Morgen treffen wir zum Frühstück unsere Freunde wieder. Im Schlepptau die Biker des Nordicos MC Costa Rica. Gemeinsam setzen wir die Reise fort. Nächster Halt Tipitapa. Bei den Chamanes Nicaragua, einem befreundeten Motorradclub, gibt es erst mal ein ordentliches Parilla (Grillfest). Die Nordicos sind so von uns angetan, dass sie uns ihr offizielles Freundschaftspatch verleihen. Mit Stolz tragen wir dies fortan auf unseren Jacken. Es ist schon dunkel, als wir die restliche Strecke bis Matagalpa unter die Räder nehmen, wo wir unser Hotel beziehen.
Auf der Bühne
Das Motofest wird vom Chitos Club Matagalpa ausgerichtet. Die Stimmung ist ausgelassen, wir schlendern über den von chromblitzenden Maschinen gesäumten Platz, werden immer wieder angesprochen und über unsere Tour befragt. Winstong, einer der Organisatoren holt uns auf die Bühne um ein paar Worte zu sagen. Völlig überrumpelt stammeln wir einige Dankesworte auf Spanisch. Die Menge applaudiert, so falsch kann es nicht gewesen sein.
Nach einem mitreißenden Wochenende mit vielen tollen Gesprächen und neuen Freunden fahren wir bis Granada. Eine der ältesten Städte Nicaraguas im spanischen Kolonialstil. Hier verbringen wir einen letzten Abend mit unseren Freunden aus San José. Dann heißt es (vorerst) Abschied nehmen. Die Ticos ruft die Arbeit, uns ruft hingegen eine Insel mit zwei Bergen.
Eine Insel mit zwei Bergen
Ometepe liegt im Nicaraguasee und ist mit etwa 270 km² das weltweit größte vulkanische Eiland in einem Süßwassersee. Hier verbringen wir die nächsten Tage, umrunden die beiden Vulkane mit den Motorrädern, gehen Schwimmen, fahren mit den Kayaks den Fluss Istián entlang und genießen traumhafte Sonnenuntergänge in einer der vielen Strandbars. Auf der Insel lässt es sich aushalten.
Da wir gerade mal eine Woche in Costa Rica verbracht haben und nicht wirklich viel gesehen haben, beschließen wir, noch einmal ins Land der Ticos zurückzukehren. Außerdem erreichen uns Nachrichten von unseren neuen Freunden, wann wir sie besuchen kommen.
Im Reich der Vulkane
Im Nordwesten des Landes besuchen wir den Nationalpark Rincón de la Vieja. Ein Park um den aktiven Vulkan Rincón de la Vieja mit unterschiedlichen Vegetationszonen, vom feuchten Regenwald bis hin zum Trockenwald. Neben vielen Tieren, wie Leguanen, Klammer- und Kapuzineraffen, sehen wir auch zahlreiche vulkanische Erscheinungen, wie Fumarolen und blubbernde Schlammvulkane. Letztere verbreiten einen ziemlich penetranten Gestank.
Der Nationalpark Vulkan Tenorio ist nicht weit, so besuchen wir auch diesen noch. Die Wanderung durch tropischen Regenwald führt uns zum Rio Celeste, einem türkisblau gefärbten Fluss. Da hier sehr viele Gruppen lautstark unterwegs sind, rechnen wir nicht damit, viele Tiere zu sehen. Und doch halten wir plötzlich inne, als wir eine Bewegung im Unterholz wahrnehmen. Ein Tapir! Aufgeschreckt durch die vielen Menschen rennt er direkt vor unserer Nase über den Weg und verschwindet wieder im Wald. Es ging alles so schnell, die Fotos, leider unscharf, aber was zählt ist, dass wir ihn gesehen haben. Dazu gehört eine große Portion Glück erklärt uns einer der Guides, er habe in zehn Jahren nie einen zu Gesicht bekommen.
Der Arenal-See liegt gerade mal 40 km entfernt, trotzdem ist das Klima hier komplett anders. Wind, Sonne und Regen wechseln sich ab. Vom Vulkan Arenal sehen wir mal wieder nichts. So sind wir es in Costa Rica mittlerweile gewohnt. Trotzdem versuchen wir es noch auf der Südseite des Sees. Die Straße erweist sich als holprige Offroad Piste. Einige kleinere Flüsse sind zu queren, alles kein Problem. Dann stehen wir vor einem Fluss mit ca. 100 Metern Breite. Wir beraten was zu tun ist. Aber umkehren wollen wir nicht. Also furten wir den Strom. Im nächsten Ort leeren wir das Wasser aus den Stiefeln und wringen die Socken aus.
Im Hinterzimmer der Werkstatt von Yamileth und Marcelo von den Nordicos, beziehen wir unser Quartier. Am Abend veranstalten die beiden eigens für uns eine Party mit all unseren Freunden mit Parilla, Pizza und Karaoke. Wir lassen uns anstecken von der guten Laune der Ticos, das ist Pura Vida. Wie sehr die Ticos ihr Pura Vida genießen sehen wir, als wir die nächsten Tage bei Roy und Nela eingeladen sind. Natürlich wieder mit Parilla. Zuletzt sind wir schließlich noch zu Gast bei Erik und seiner Frau Francine. Wir sind überwältigt von soviel Gastfreundschaft. Trotzdem zieht es uns weiter.
In einer Woche findet in Costa Rica das größte Motorradtreffen Mittelamerikas statt – Convención Internacional Puntarenas. Zu diesem Zeitpunkt wollten wir aber längst wieder in Nicaragua sein. Nachdem die Ticos sogar ein bezahlbares Hotel für uns ausgesucht haben, gibt es keinen Grund mehr für uns, dort nicht hinzufahren.
Die Woche bis dahin verbringen wir auf der Nicoya Halbinsel an der Pazifikküste an einem wahrhaften Traumstrand unter Palmen. Bei einer nächtlichen Bootstour erleben wir ein ganz besonderes Phänomen – Biolumineszenz. Ein biochemischer Prozess welcher bei Bewegung die Algen im Wasser zum Leuchten bringt. Beim Eintauchen mit den Händen oder Paddeln ins Wasser sind hunderte von kleinen, leicht bläulichen Lichtpunkten zu sehen. Ein Spektakel an dem wir uns kaum sattsehen können.
Nachdem wir anderntags die Kette an der Dakar gespannt haben, will Tom die Achsmutter wieder festziehen. Es folgt ein lautes, krachendes Reißen aus seinem rechten Arm, gepaart mit heftigem Schmerz. Uns schwant Böses, wir fühlen uns an 2018 erinnert, als Tom sich am linken Arm die Bizepssehne abgerissen hat und nach einer Operation langwierig wieder jede Bewegung erlernen musste. Bedeutet die Verletzung nun das jähe Ende unserer Reise? Mehr dazu im nächsten Beitrag…
Kilometer: 22740 (+23989)
Unsere Route findet ihr wie immer hier.
Fotos:
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