Wir machen uns auf den Weg die kulturellen Highlights von Peru zu entdecken. Doch bis es soweit ist gibt es wieder mal ein Problem technischer Natur…
Mit vielen Abkühl-Stopps schleppen wir uns mit der überhitzenden GS vom menschenleeren Anden-Hochplateu hinunter nach Palpa in der staubig-kargen, heißen peruanischen Wüste (siehe letzter Beitrag). Unsere Diagnose nach ausgedehntem Testen: Zylinderkopfdichtung defekt. „Ich habe einen Freund mit einer Werkstatt in San Bartolo, der kann Dir helfen“, schreibt Mechaniker Ismael (siehe hier) aus Ayacucho. Ein Blick in Google Maps zeigt, dass es bis dahin 350 km sind. Unüberwindbar! In Palpa, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz mit 5200 Einwohnern, gibt es auch keinen Mechaniker der Ahnung von Motorrädern mit dohc-Motoren hat.
Señor Jacobo, unser Wirt der Hacienda La Posada del Rio, hat eine Werkstatt in Ica ausfindig gemacht. Aber auch das sind 100 km. „Kein Problem“ sagt er und hat schon wieder das Handy am Ohr.
Ein Bekannter holt uns nächsten Morgen mit einem schepperigen, chinesischen Pritschen-LKW ab und fährt uns nach Ica. Obwohl er über Größe und Gewicht des Moppeds informiert war, kommt er ohne Rampe. Da die GS weder springen kann, noch wir es zu dritt über einen Meter gehoben bekommen, besorgt er eine schmale Holzplanke. Auch nicht sehr vertrauenerweckend. Zum Verladen müssen wir auf eine Müllhalde mit hohen Schutthaufen fahren.
Über die Panamericana geht es dann Richtung Ica. So ätzend wir den Highway auch finden, sind wir doch froh, dass wir mit dem Kalb auf der Pritsche keine Rüttelpiste mit riesigen Schlaglöchern fahren müssen.
In Ica angekommen, stehen wir vor der verschlossenen Werkstatt. Mechaniker Nicolas ist übers Wochenende weggefahren. Wir sind ratlos. Aber wie so häufig, kommt ganz unerwartet Hilfe. Ein Kumpel des Mechanikers taucht auf und besorgt den Schlüssel zur Werkstatt, so dass wir das Motorrad hier über das Wochenende unterstellen können.
Bilderrätsel in der Wüste
Zurück in Palpa wollen wir die Gegend erkunden und zu den Palpa-Linien fahren. Das sind – wie die Nazca-Linien – riesige Geoglyphen, auch Scharrbilder genannt, in der Wüste. Señor Jacobo besorgt uns nicht einen, sondern gleich 3 Guides. So kommt es, dass wir mit Shallem, seinem Vater Leo und deren Freund Robert eine Tour in die Wüste machen. Doch in Palpa gibt es neben den Linien noch viel mehr zu sehen. So zum Beispiel die verlassene Hacienda Huayuri die ehemals von Deutschen betrieben wurde. Nach einem kurzen Rundgang geht es weiter zur gleichnamigen verlorenen Stadt. Eine große präkolumbianische archäologische Stätte.
Leo erklärt, dass diese Stadt wahrscheinlich wegen Wasserknappheit aufgegeben wurde. Kein Wunder, denn uns brennt wirklich der Schädel in der unbarmherzigen Sonne. Außerdem wollen wir nun endlich die Linien sehen.
Unser nächster Stopp wieder mitten in der Wüste. Ein schmaler Pfad führt uns im Zickzack einen Hügel hinauf. Ein riesiges Gebilde, welches ein Schafott darstellen soll prangt auf dem gegenüberliegenden Hügel. Leo meint, es wäre soviel wie „Herzlich willkommen in Palpa“. Hm, denken wir, an ihrer Willkommenskultur mussten sie noch arbeiten. Man stelle sich das zu Hause vor. Willkommen in Düsseldorf, einen Schritt näher und wir schlagen dir den Kopf ab. Da gefällt uns Roberts Erklärung besser, dass es sich hier um eine rituelle Stätte handelt. Die Zeichnungen haben vorbeiziehende Viehhirten davor gewarnt in dieses Tal abzubiegen, um den heiligen Ort nicht zu entweihen. Schließlich wurden am Fuß der Zeichnung auch jede Menge Schädel ausgegraben.
Nachdem wir noch weitere Linien sehen konnten, verlassen wir diesen makabren Ort wieder und fahren noch zu den Petroglifos de Chichictara, etwas nordwestlich von Palpa. Die Bergflanke ist übersät mit Felszeichnungen von Tieren und Menschen. So interessant der Ausflug ist, uns schwirrt der Kopf. Wollen doch alle 3 Guides ihr profundes Wissen in uns hineinpressen – in höllisch schnellem und teilweise undeutlichem Spanisch.
Die Auflösung des Problems
Das lange Wochenende ist vorbei und wir fahren in einem stickigen, abgasgeschwängerten Colectivo (Sammeltaxi) nach Ica um mit Mechaniker Nicolas über das Problem der GS zu sprechen. Wie es der Vorführeffekt will, funktioniert der Ventilator nun gar nicht mehr. Obwohl er bei unseren Tests lief. Wir lassen ihn das Motorrad in Ruhe inspizieren und gehen uns etwas in der Stadt umschauen. Wie sich herausstellt sind Zylinderkopfdichtung und Wasserpumpe völlig in Ordnung. Bei dem Problem handelt es sich um eine Kombination aus defektem Thermoschalter und einem verdrecktem und dadurch nur sporadisch und obendrein zu langsam laufenden Kühler-Ventilator.
Nach einigen Tagen ist die GS wieder fit, wir setzen unsren Trip nach geschlagenen neun Tagen in der Wüste endlich fort. Selbstredend wollen wir die legendären Nazca-Linien nicht auslassen. Als Urheber dieser imposanten Bilder gelten die Paracas- und die Nazca-Kultur, die diese zwischen 800 und 200 vor Christus in die Wüste gekratzt haben. Wir verzichten allerdings auf einen teuren und selbstmörderischen Rundflug und klettern lieber auf einen der beiden Aussichtstürme. Die Motive sind wahrlich beeindruckend. Ärgerlich ist indes, dass die Panamericana direkt durch das Eidechsenbild führt. Hätte man die blöde Straße nicht ein paar Meter weiter bauen können?
Abkühlung im Schnee
Wir haben genug von der Hitze und fahren Richtung Berge. Wir genießen die Abkühlung der ersten Höhenmeter wohl wissend, dass wir uns spätestens ab 3000 Meter wieder in die Wüste sehnen. So ist das bei diesem Auf und Ab. Man kommt viel zu schnell von der Hitze in die Kälte. Da fällt es dem Körper schwer sich anzupassen. Zusätzlich macht uns ja auch noch die Höhe zu schaffen.
Aber nicht nur die Höhe raubt uns den Atem, auch die sich ständig ändernde Landschaft. Jenseits der Wüste sehen wir zwischen den Bergen eine riesige Sanddüne aufragen. Dann ein paar Serpentinen weiter wird es immer grüner und riesige Felsbrocken ragen zwischen dem Grün durch. Auf einem Hochplateau kommen wir an einigen Seen vorbei. Plötzlich sehen wir in der kargen Landschaft weiße Flecken. Wir halten an um es uns genau zu betrachten. Tatsächlich gestern waren wir noch in der Wüste und heute fahren wir an Schnee vorbei. Zum Glück geht es nach einigen Kilometern aber auch wieder runter und wird somit deutlich wärmer.
Am Pachachaca River schlagen wir unser Zelt auf und beratschlagen unsere weitere Strecke. Bisher haben wir uns Richtung Osten gehalten. Unser Ziel war ja eigentlich La Paz in Boliven. Da wir aber das Land doch nicht so schnell verlassen müssen wie ursprünglich gedacht, entscheiden wir uns am nächsten Tag Richtung Machu Picchu zu fahren. Die Strecke fahren wir mit gemischten Gefühlen. Denn eigentlich graut uns vor so überlaufenen Stätten. Auf unserem Wildzeltplatz haben wir ein Paar aus der Schweiz getroffen, die gerade dort herkamen und uns bestätigt haben, dass es sehr touristisch und überlaufen ist. Aber deswegen eines der größten Monumente der Menschheitsgeschichte auslassen? Sicher nicht.
Ein Aufwand der sich hoffentlich lohnt
Wir fahren durch Abancay, eine weitere Provinzhauptstadt mit über 63000 Einwohnern, die an ihrem Verkehr erstickt. In Ollantaytambo fragen wir einen Uniformierten nach dem Weg nach Santa Teresa. „Da vorne nach 200 Metern rechts und dann sind es keine 10 km mehr.“ So die Auskunft. Nach 25 km Serpentinen die Berge rauf kommen uns Zweifel. Zumal es langsam dämmert. Das bedeutet es wird bitter kalt und wir würden auch die Landschaft rechts und links verpassen. Ein einheimischer Motorradfahrer hält an und erzählt uns, dass es noch rund zwei Stunden Fahrt sind. Da hier weit und breit nichts mehr kommt außer einem Restaurant fragen wir, ob wir hier unser Zelt aufschlagen dürfen. Nach einem warmen Abendessen bringt uns der Wirt eine Matratze und wir dürfen es uns über Nacht im Restaurant gemütlich machen. „Hier wird es doch viel zu kalt“, meint der Gastronom.
Am nächsten Morgen dauert es bis sich der Nebel verzieht. Zum Nebel gesellt sich schließlich strömender Regen. Die Straße windet sich bis auf über 4100 m die Berge hinauf um dann auf der anderen Seite wieder auf etwa 1200 m abzufallen. Schon steigen die Temperaturen wieder und auch die Vegetation erinnert wieder an tropische Gefilde.
Kurz nach dem Abzweig nach Santa Teresa müssen wir erst mal an einer Baustelle warten. Die letzten 30 km sind eine stark aufgeweichte Schotterpiste. Durch den Regen lösen sich leider auch immer wieder Steine oberhalb der Piste. Mit mulmigem Gefühl fahren wir durch die Steinschlagzonen. Wir fragen uns nicht zum ersten Mal ob sich der ganze Aufwand denn lohnt. Aber nun stehen wir mittendrin im Schlamm und Geröll – zurück ist keine Option. Also Zähne zusammenbeißen und weiter. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir bis zur Unkenntlichkeit eingedreckt Santa Teresa und schlagen unser Zelt auf dem Campingplatz La Hacienda auf.
In dem beschaulichen Dörfchen gibt sogar eine Touristeninformation, wo uns die liebenswerte Soledad nicht nur mit wertvollen Tipps versorgt, sondern auch hilft die Tickets für Machu Picchu zu buchen. Im vor Touris überquellenden, ausschließlich per Zug oder per pedes erreichbaren Ort Aguas Calientes buchen wir eine Übernachtung sowie einen Guide für die Inkastätte. Nachdem das alles erledigt ist fahren wir zu den Thermalbädern von Cocalmayo, ein Naturbad, das auf die Nutzung der Thermalquellen an den Hängen des gleichnamigen Berges und an den Ufern des Vilcanota-Flusses ausgerichtet ist. Es gibt 4 Becken deren Wassertemperaturen zwischen 38°C und 44°C liegen. Hier lässt es sich so richtig entspannen.
Eine mörderische Tour
Früh am nächsten Morgen lassen wir uns mit dem Colectivo in den kleinen Ort Lucmabamba bringen. Hier startet die letzte Etappe des Salkantay-Treks nach Machu Pichu. Der Aufstieg führt uns mitten durch Kaffeeplantagen. Kein Wunder denn hier verläuft auch die Kaffeeroute. Immer wieder gibt es Bretterbuden-Cafés wo das regionale Heißgetränk verköstigt wird. Was wir allerdings nicht erwartet haben, ist die peruanische Starbucks-Filliale. Hier legen wir lieber keinen Stopp ein. Der Weg auf den 2600m hohen Pass bei Llactapata ist schweißtreibend aber dafür werden wir mit einer Aussicht auf Machu Picchu und die Bergwelt ringsum belohnt. Bei Llactapata handelt es sich ebenfalls um eine Inkastadt, welche aber bisher nur zum Teil freigelegt wurde.
Der Abstieg zum Wasserkraftwerk Hidroélectrica ist jedoch viel beschwerlicher als der Aufstieg. Es geht steil bergab bis auf 1770 m. Ab hier sind es jetzt noch 10 km die Bahngleise entlang bis nach Aguas Calientes. Unsere Füße wollen aber nicht mehr und dann fängt es noch an zu regnen. Also wollen wir mit dem Zug fahren. Der letzte Touristenzug ist allerdings schon abgefahren und der nächste ist nur für Einheimische – sprich keine Gringos zugelassen. Das wollen wir doch mal sehen, zumal der Preis für Touristen mit 30 USD ein Vielfaches ist.
Als es endlich losgeht, täuscht Tom eine Knieverletzung vor und nach einigem Zögern lässt uns der Schaffner einsteigen. Natürlich will der die 30 USD pro Person kassieren und in die eigene Tasche stecken. Dem haben wir schon vorgesorgt und zeigen ihm, dass wir gerade noch 70 Soles einstecken haben (rund 19 USD), er akzeptiert, einfach verdientes Geld „Cash-in-die-Täsch“. Das ist mit Sicherheit immer noch mehr als die anderen Fahrgäste bezahlen und demnach mehr als genug wie wir finden.
Ein magischer Ort
Pünktlich um 6 Uhr morgens holt uns unser Führer Richard im Hotel ab. Gemeinsam fahren wir mit dem Shuttlebus (24 USD die einfache Strecke) zur Inkastätte Machu Picchu hoch. Glücklicherweise halten sich die Besuchermassen um diese Uhrzeit noch in Grenzen. Trotzdem nach all den überhöhten Preisen und den Strapazen fragen wir uns immer noch, ob sich denn der ganze Aufwand wirklich lohnt. Die Antwort bekommen wir dann spätestens als wir oberhalb der Stadt stehen und mit eigenen Augen sehen, was wir schon auf tausenden von Bildern gesehen haben. Ein Moment der uns sprachlos macht. Selten haben wir einen Ort gesehen – nein, gespürt! – der eine solche Würde und eine solche Magie verströmt.
Richard führt uns nicht nur durch die Ruinen sondern erzählt auch über das Leben der Inka als herrschendes Volk und ihren hochentwickelten Techniken sowie deren profundes Wissen in Ackerbau, Medizin, Architektur und Astronomie. Mit harter Hand eroberte das Volk große Teile Südamerikas, gliederten die Besiegten ein und machten sich deren Technologie, und vor allem deren Arbeitskraft als Leibeigene zu eigen.
Vollgepackt mit tollen Fotos und spektakulären Eindrücken machen wir uns auf den Rückweg nach Santa Teresa. Diesmal laufen wir die 10 km an den Bahngleisen entlang bis zur Hidroélectrica und dann geht es mit dem Colectivo bis zum Campingplatz zurück. Noch einmal nehmen wir ein entspannendes Bad in Cocalmayo und lassen die letzten beiden Tage Revue passieren.
Ja, Machu Picchu ist heillos überteuert, überlaufen und schwer oder kompliziert zu erreichen. Aber es hat sich gelohnt und der Besuch gehört auf jeden Fall zu den Highlights unserer Reise.
Die Inka-Hauptstadt
Nach so viel Inka-Kultur möchten wir auch Cusco, die einstige Hauptstadt des Inkareiches besuchen. Neben dem ganzen touristischen Trubel und archäologischen Stätten gibt es vor allem auch spanische Kolonialarchitektur zu sehen. 2 Tage lang genießen wir es durch diese eindrucksvolle Stadt zu schlendern.
Riesige Steinfiguren und ein ganz besonderer Wald
Nun zieht es uns aber wieder in ruhigere Gegenden und wir fahren weiter Richtung Osten. Wir fahren durch beschauliche Dörfer und weite Täler hinauf auf den Altiplano (Hochplateau). Nach rund 200 Kilometern biegen wir ein auf die Schotterpiste zum Tinajani-Canyon mit seinen imposanten Felsformationen aus rotem Sandstein.
Hier nehmen wir uns Zeit für Wanderungen durch die Schlucht, um die bizarren Steinfiguren, wie z.B. das Gesicht eines Inkas oder auch riesige Säulen zu bestaunen. Die Nächte hier auf über 3900 m sind eisig kalt und das Spülwasser, das wir über Nacht im Topf gelassen haben ist am Morgen zu einem Eisblock gefroren.
Nachdem wir den Canyon ausgiebig erkundet haben, fahren wir das Sträßchen weiter um zum Titikakasee zu kommen. Nach ein paar Kilometern erblicken wir äußerst seltsame Gewächse. Hier beginnt der Bosque de Puya Raimondii (Wald der Puya Raimondii). Das ist eine Riesenbromelie welche nur in diesen Höhenlagen gedeiht. Mit bis zu 15 Meter hoch, bildet sie den höchsten Blütenstand der Welt. Bei einem Fotostopp treffen wir auf einen Einheimischen der uns einiges über den Lebenszyklus dieser seltenen Pflanzen erklärt.
Unser nächstes Ziel ist La Paz in Bolivien. Denn dort wollen wir beim genialen Mechaniker Marcos von Camping Las Lomas unsere gesamte Ausrüstung und die Motorräder final auf Vordermann bringen. So wie schon 2020 (siehe hier). Unser Plan ist es, die Landesgrenze in Tilali am wenig besiedelten Nordufer des Titikakasees zu überqueren. Doch das gestaltet sich deutlich schwieriger als gedacht…
Kilometer: 2068 (+23989)
Unsere Route findet ihr wie immer hier.
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