Unsere Bikes kommen verspätet und noch dazu beschädigt in Malaysia an. Das Chinesische Neujahr bringt noch mehr Verzögerung, aber auch neue Bekanntschaften. Und wir stoßen an schier unüberwindliche bürokratische Hürden. Schaffen wir den Sprung nach Thailand?
Noch immer nachhaltig geflasht von unseren Erlebnissen in Vietnam, Bali und Sumatra fliegen wir nach Malaysia. In Port Klang, dem Hafen von Kuala Lumpur, sind nach gut zwei Monaten endlich unsere Motorräder eingetroffen. Bis die Zollformalitäten absolviert sind besichtigen wir die 7,5-Millionen-Metropole. Die Hauptstadt bildet einen krassen Kontrast zu Hanoi, Denpasar und Medan. Aufgeräumt, sauber und mit hervorragender Infrastruktur. Und wer auf Architektur steht, ist hier richtig. Allein die markanten Petronas Twin Towers ziehen abertausende Besucher an.

Der Schock
Das chinesische Neujahrsfest steht vor der Tür, und wir wollen unbedingt die BMWs haben, bevor alles schließt. Mit dem Zollagenten fahren wir voller Vorfreude zum Hafen. Als die Arbeiter die Kiste öffnen, ist die gute Laune allerdings dahin. Die beiden in der Kiste gegeneinander stehenden F650GS sind ineinander gekippt. Die Zurrgurte liegen lediglich in der Box. So haben sich die rechten Aluboxen in die rechten Gabelstandrohre der jeweils anderen Maschine geschlagen.

Die Gabel der GS verliert stattliche Mengen an Öl, das Gabelstandrohr zeigt zwei Scharten. An der Dakar sind Gabelschützer, Blinker und Spiegel beschädigt. „Völlig untauglich“, beurteilt der malaysische Agent die Gurte und die Haken, mit denen die kanadische Verpackungsfirma die Bikes verzurrt hat. Nach dem Stress mit dem Getriebe und im Hafen kommt nun auch noch eine Reparatur und eine Auseinandersetzung auf uns zu.

Wir finden in Kuala Lumpur eine Werkstatt, die die Gabelsimmerringe tauscht und das in Malaysia nicht verfügbare, beschädigte Rohr poliert. Ob das auf Dauer dichthält, bleibt abzuwarten.
Zum Neujahr bei Chinesen
Wir treffen Derric, einen einheimischen Biker, dessen Kontakt wir von unserem Freund Ngurah aus Bali bekommen haben. Derric und seine Familie gehört der chinesischen Minderheit an, die in Malaysia rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Die Familie hat uns eingeladen, mit ihnen den „Silvester“-Abend zu verbringen.

Wir lernen die ganze Sippe kennen und sind sofort Teil des Ganzen. Wir lernen über die chinesischen Bräuche, das für Neujahr typische Essen und malen mit Kaligraphiepinseln chinesische Neujahrswünsche auf rotes Tonpapier – ebenfalls ein chinesischer Neujahrsbrauch.

Die Supertanker
Es ist bereits Neujahr, als wir endlich unseren Trip wieder aufnehmen können. Die BMWs kommen uns vor wie Supertanker. Tonnenschwer gegenüber den Scootern auf Bali und Sumatra und den beiden Honda XR150 in Vietnam. Es braucht gehörig Zeit, bis wir uns an das Gewicht wieder gewöhnt haben.

Unser erstes Ziel sind die Cameron Highlands, eine Mittelgebirgsregion in der Mitte der Halbinsel. Arm an Touristen, schöne kurvige Straßen und wenig Verkehr. So haben sie gesagt. Die Realität an China-Neujahr ist eine andere. Wir passieren über 40 Kilometer stehenden Verkehrs auf den schmalen Bergstraßen. Die komplette KL-Metropolregion hat sich hierher auf den Weg gemacht. In den Dörfern kollabiert das Wegenetz völlig. Nach der Besichtigung einer Teeplantage suchen wir das Weite.

Reif für die Insel
Viel haben wir gehört von Georgetown auf der Insel Pinang, und so fahren wir in das alte englische Kolonialstädtchen mit einer Festung und jeder Menge Bauten aus dem 19. Jahrhundert im für Region und Zeit typischen Kolonialstil. Die Briten landeten Ende des 18. Jahrhunderts auf der Insel, errichteten ein Fort und gaben der Stadt den Namen ihres Königs. Heute ist die mondäne Stadt auf eine halbe Million Einwohner angewachsen, hat sich aber dennoch viel von ihrem Flair bewahrt. Wir umrunden die Insel, erhaschen immer wieder Ausblicke auf die Straße von Malakka und stoppen an verschiedenen Sandstränden.

Stinkendes Obst
Auf einer Obstfarm erfahren wir alles über tropische Früchte, ihren Anbau und ihre Verwendung. Der Chef gibt uns Durian zur Verkostung, jene im Deutschen „Stinkfrucht“ genannte Kostbarkeit, die uns bis dato bis kurz vor den Brechreiz getrieben hat. In Hotels und öffentlichen Gebäuden ist die Großfrucht wegen ihres intensiven und aufdringlichen Geruchs verboten. Doch er verrät uns das Geheimnis: Nicht zu alt darf sie sein, und ein Muss – kalt! Seine Durian aus dem Kühlschrank erweckt in uns einen echten Aha-Effekt: Gar nicht so schlecht!

Unsere Trauminsel
Wir halten uns weiter gen Norden. Kurz vor dem Grenzübertritt nach Thailand legen wir einen Abstecher auf die Insel Langkavi ein. Das tropische Traum-Eiland kann es locker mit jenen in Thailand aufnehmen, ist aber bei weitem nicht so von westlichen Touris überrannt. Wir genießen das Leben und die wunderschönen Strände – sonst eigentlich so gar nicht unsere Art.

Auf einer geführten Kajaktour durch die Mangrovenwälder erzählt uns unsere Führerin alles über das Ökosystem und die Fauna in den faszinierenden Wäldern. So seien durch den verheerenden Tsunami vom 26. Dezember 2004 auf Langkavi so gut wie keine Schäden entstanden. Die Mangroven bilden einen effektiven Schutzgürtel. Andernorts in Thailand und Sumatra seien die Bäume abgeholzt worden, was bei der Flutwelle letztlich Tausende von Menschenleben gefordert hat.

Horror Grenzübertritt
Es fällt uns sehr schwer, uns von unserer Trauminsel zu trennen, doch die Straße ruft, und wir wollen nach Thailand. Eine launige Kurvenstrecke führt uns zu einem kleinen Grenzposten in den Bergen. Die malaysischen Grenzer stempeln unser Carnet de Passage (Zolldokument für die Motorräder) aus, doch dann auf der thailändischen Seite Ernüchterung. Für die BMWs brauchen wir ein „Foreign Vehicle Permit“, das nur am großen Grenzübergang in Sadao zu bekommen sei. So versuchen wir anderntags dort unser Glück. Doch auch hier werden wir abgewiesen. Das FPV müsse für uns durch eine Agentur besorgt werden, die uns obendrein einen obligatorischen Guide für die komplette Dauer unserer Reise durch das Land stellt. Kostenpunkt 130 Euro pro Reisetag und Motorrad. Tom kann sich die Frage nicht verkneifen, ob sie ein Rad abhaben.
So fahren wir also einmal mehr zurück nach Malaysia, unsere Lust auf Thailand nähert sich langsam dem Nullpunkt. Im Internet treiben wir jemanden auf, der Beziehungen zum Posten in Betong hat und uns anbietet, den Übertritt unter Nutzung unseres Carnet zu organisieren. So sind wir anderntags, drei Tage und 400 Euro „Gebühr“ später schließlich und endlich in Thailand.

Im muslimischen Thailand
Ein kurviges und mitunter recht glitschiges Sträßchen führt uns durch die Berge. Die südlichen Provinzen sind fast ausschließlich muslimisch geprägt. In der Vergangenheit gab es hier immer wieder Anschläge und Bestrebungen einer Abspaltung von Thailand. Wir spüren davon wenig, treffen ausschließlich auf sehr freundliche Menschen, eine reiche Kultur und leckere Halal-Gerichte.

Wir fahren in Songkhla ein. Der Tourismus hat diese Region weitestgehend ausgeklammert. Wir sind die einzigen westlichen Reisenden. So wie wir es mögen. Wir legen zwei Tage Rast ein, besuchen den Nachtmarkt, den langen Sandstrand am Golf von Thailand und die Lagune, wo bei Sonnenuntergang die Fischer ihre Netze reffen. Die Kolonialstadt markiert so etwas wie den Übergang ins eigentliche, buddhistische Thailand – und in den Tourinepp. Hotspots, die von westlichen, russischen und chinesischen Touristen überrannt werden wie Phuket, Krabi und Pattaya haben wir von vornherein von unserer Liste gestrichen. Auch an Khao Lak, bekannt durch die katastrophale Zerstörung durch den Tsunami von 2004, wären wir vermutlich vorbeigefahren. Doch unser Freund Andi aus Toms Heimatstädtchen Leipheim arbeitet dort als Tauchlehrer, was ihm den Spitznamen „Koralle“ eingebracht hat.

Im Reich der Koralle
Die Freude ist groß, als wir uns nach Jahren wiedersehen. Er zeigt uns die schönsten Flecken rund um den mondänen Badeort. Idyllische Sandstrände, chillige Bars und Wasserfälle, die in der Trockenzeit eher tröpfeln als fallen. Und zu dem beeindruckenden Mahnmal für den Tsunami, wo Angehörige der Opfer bewegende Relikte und Statements hinterlassen haben. Die Katastrophe hat im östlichen Indischen Ozean sowie auf Sri Lanka rund 230.000 Menschenleben gekostet. In Khao Lak geht man von 4000 bis 6000 Opfern aus.

Ab zur Motorradsause
Es ist Februar, und es regnet jeden Abend Sturzbäche – eigentlich völlig atypisch für den Monat. Mit Andi stranden wir nächtens in der Tiki Bar, wo wir Jörn, den Wirt kennenlernen. Die Biker-Bar des gebürtigen Berliners ist im Strandbarstil gehalten. Er findet gefallen an uns und fragt, ob wir am Wochenende mitfahren wollen zum Motorradtreffen seines Clubs auf der Insel Koh Lanta. Eine zünftige Motorradsause haben wir noch nie ausgeschlagen, und so machen wir uns auf den Weg mit Jörn uns seiner Harley-Davidson Street Bob zur Koh Lanta Bike Week. Mit von der Partie waren auch Dominique und Tanja, ein österreichisch-deutsches Paar, mit denen wir uns auf Anhieb blendend verstanden. Ihre Haltung zum Leben und ihr trockener Humor hat uns von Anfang an verbunden.

Die Location des Treffens hätte kaum schöner sein können – direkt am Beautiful Beach Sandstrand. Wir schlagen unser Zelt direkt neben dem Gelände auf. Live-Musik auf zwei Bühnen, die merkwürdigerweise nicht abwechselnd Musik darbieten, sondern eigentlich permanent gegeneinander anspielen. Einerlei, wir lernen einmal mehr jede Menge Biker kennen.

Auf dem Charity Run
Die meisten davon Europäer, die Thais üben sich in einer Zurückhaltung, die wir so von Motorradfahrern in den Amerikas nie erlebt haben. Am zweiten Tag ist ein Korso geplant. Nachdem sich mit etwa einer Stunde Verspätung rund 15 Motorräder eingefunden haben, geht es zu einer etwa 10 Kilometer entfernten Schule. Die Veranstaltung entpuppt sich als Charity Run, eine Benefizveranstaltung, bei der in der muslimischen Schule eine Spendensumme übergeben wird.

Abends abermals Live-Musik – und die zieht sich bis morgens um halb acht. Beim Pinkeln sieht Tom, dass vor der Bühne kein Mensch mehr steht, die Band spielt für sich selbst und schraubt die Lautstärke immer weiter hoch. An Schlaf trotz Ohrstöpseln nicht zu denken. Ist aber auch wurscht, denn morgens um sechs spürt Tom ein großes Krabbeln am ganzen Körper. Abertausende Ameisen haben einen Weg ins Innere des Zelts gefunden. Und piesaken uns von oben bis unten. Selbst im Packsack feiern die Biester Party. Aber nicht in den Gewürzen und Lebensmitteln! Sie sitzen zu abertausenden in den Ersatzteilen. Scheinbar sind auch Ameisen Motorradfreaks!

Wir hängen noch einen Tag dran auf der Insel. Denn Tanja und Dominique lassen es sich nicht nehmen, uns eine Nacht mit ihnen in einem nahen Resort zu spendieren. So viel Großzügigkeit macht uns sprachlos, und wir versprechen, uns in Düsseldorf zu revanchieren.

Zurück in Khao Lak treffen wir uns ein weiteres Mal mit Koralle Andi und Jörn und verbringen einen letzten Abend zusammen. Denn am nächsten Tag soll es weitergehen gen Norden. Und der weitere Weg soll eine Menge Erlebnisse bringen. Guter und negativer Natur…
Kilometer: 82969 (+23989)
Unsere Route findet ihr wie immer hier.
Fotos:
Bildwechsel im Slider unten: Ziehen mit der Maus bzw. Wischen.