Mexiko lässt uns nicht los. Bevor wir endgültig in die USA einreisen, machen wir einen Wochenendausflug mit unseren neuen Freunden aus Tecate zu einer abgelegenen Ranch. Hier erleben wir eine wunderbare Zeit mitten in einer grandiosen Natur. Doch für Andrea endet der Ausflug in einem Albtraum.
Der freundliche Grenzbeamte blickt uns skeptisch an. „Ihr wollt wirklich Mexiko verlassen? Seid ihr sicher?“. „Jaaa..nnnneiiin“, kommt zögerlich unsere Antwort. Hier zu bleiben sei kein Problem, erklärt uns der hilfsbereite Beamte. Die Baja ist nämlich eine sogenannte Freizone in der man sich ohne gültiges Visum aufhalten kann. „Fahrt doch mal nach La Rumorosa, da gibt es eine sehr schöne Sierra (Höhenzug)“, gibt er uns noch mit auf den Weg. Das trifft sich gut, denn unsere Freunde aus Tecate haben uns für das Wochenende genau in diese Region eingeladen.
Nur kurz in Kalifornien
Aber erst einmal folgen wir dem Ruf von Randy nach San Diego, jenseits des riesigen, stählernen Grenzzauns. Der US-Amerikaner hat uns in Facebook verfolgt. „Ihr müsst unbedingt vorbeikommen, wenn ihr in California seid“, so der sympathische Klimaanlagen-Mechaniker.
Randy will alles über unsere Tour wissen. Er selbst hatte denselben Traum, mit seinem BMW-Gespann ist er sogar schon bis Mexiko gekommen. Leider hatte er große technische Probleme und musste letztendlich seine Pläne aufgegeben. Wir erleben einen lustigen Abend mit einem leckeren Essen, das Randy für uns kocht, und tollen Gesprächen rund ums Reisen.
Ein schwimmendes Stück Geschichte
Den nächsten Tag verbringen wir auf der USS Midway, einem ausgedienten Flugzeugträger, welcher als Museum umfunktioniert und im Hafenbecken von San Diego der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Hier lernen wir alles über die Geschichte der Midway, welche eine Schlüsselrolle im kalten Krieg spielte und 1965 ihren ersten Kampfeinsatz im Vietnamkrieg hatte. Es war auch die Midway, auf die Tausende von Zivilisten mit Hubschraubern evakuiert wurden, als Saigon 1975 in die Hände der Nordvietnamesen fiel.
Ein Team von über 750 Freiwilligen, großteils ehemalige Piloten oder Besatzungsmitglieder steht bereit um den Besuchern die jeweiligen Stationen des Flugzeugträgers zu erläutern. Fluggeräte aus allen Epochen des 1947 in Dienst gestellten Kriegsschiffs werden anschaulich erklärt, Landungen und Starts von den Veteranen erklärt. Eines der spannendsten Museen, die wir je besucht haben.
Zwischen Randy und Randy
Nun fahren wir zurück zu unserem mexikanischen Freund Randy. Ja, die Namensgleichheit ist reiner Zufall, beide wissen von einander, haben sich aber noch nie getroffen. Den Land Cruiser vollgepackt mit Proviant und vor allem Bier, sowie einer XT 350 für Sohn Kaleb auf der Ladefläche, machen wir uns auf den Weg in den rund 80 km entfernten Gebirgszug Sierra de Juárez. Der Weg bis zur Ranch erweist sich als fiese Offroad-Piste. Wärend wir im Auto ordentlich durchgeschaukelt werden, sind wir froh hier nicht mit den schweren BMWs fahren zu müssen.
Terrain wie von einem anderen Stern
Die Ranch liegt sehr abgelegen inmitten der felsigen Landschaft der Sierra. Hier gehen wir wandern, grillen Tacos, sitzen abends am Lagerfeuer und haben eine Menge Spaß mit unseren Freunden. Am letzten Morgen dann die Überraschung. Es hat in der Nacht geschneit und die ohnehin schöne Landschaft sieht durch die weiße Schicht noch mehr verzaubert aus.
Die Katastrophe – von Hunden und Feiglingen
Andrea greift ihre Kamera und geht vor die Tür um die weiße Pracht zu fotografieren. Um sie herum toben die etwa zehn Hunde der Ranch. Sie denkt sich nichts weiter dabei, anscheinend ist der Besitzer durch die Hintertür ins Haus gegangen. Doch schon spürt sie den ersten Biss im Rücken und will nur noch zurück zu den rettenden vier Wänden. Die Bestien reißen sie jedoch zu Boden und beißen sie am ganzen Körper, inklusive Kopf. Aufstehen und weglaufen ist nicht möglich.
Tom befindet sich auf der anderen Seite der Hütte als er durch den Wind ihre Schreie hört. Schnell eilt er herbei und kann nach einigen kräftigen Tritten gegen die vierbeinigen Bastarde Andrea aufhelfen. Im Haus angekommen, stellt sich heraus, dass sich der Halter samt seinen Kötern schnell verdrückt hat, nachdem er gesehen hatte, was passiert war. Gerne hätten wir den miesen Feigling zur Rede gestellt. Aber Andrea muss ins Krankenhaus und die Fahrt ist weit. Sie hat sich an einem zerdepperten Glas am Boden die Hand aufgeschnitten und muss genäht werden.
An Motorrad fahren ist nun für eine Weile nicht zu denken. Für Randy und seine Frau Sol kein Problem. Wir dürfen so lange bei ihnen wohnen, wie wir wollen. Als die Fäden gezogen sind, wollen wir aber endlich weiter und reisen endgültig in die USA ein. Es fällt uns sehr schwer, Mexiko zu verlassen. Denn nach zweieinhalb Jahren Reisen durch Lateinamerika haben wir uns sehr an die Kultur und die herzliche Art der Latinos gewöhnt. Gerade die Menschen in Mexiko haben uns mit ihrer unglaublichen Herzlichkeit und ihrer Hilfsbereitschaft immer wieder beeindruckt.
Einmal mehr Abschied nehmen
Aber Reisen bedeutet auch immer Abschied, zudem sind wir gespannt welche neue Begegnungen auf uns warten. In den USA, dem selbsternannten „Land of the Free“, tauchen wir in eine andere Welt ein. Das Einreisedokument kostet 6 Dollar, den Kulturschock gibt es gratis dazu.
Unser erstes großes Ziel ist das Death Valley. Der Weg führt uns über den „Rim of the World Scenic Drive“, eine Panoramastraße über die San Bernadino Mountains zum Big Bear Lake. Eine wunderschöne Bergstrecke mit vielen tollen Panoramen, aber auch über 2000 Höhenmetern und viel Schnee rechts und links.
Im Sandsturm
Wir nähern uns dem Death Valley. Es kommt brutaler Wind auf und der Himmel nimmt eine seltsame gelbliche Färbung an. Plötzlich können wir nichts mehr sehen. Wir sind mitten in einen Sandsturm geraten. Also umdrehen, so lange wir die Straße noch erahnen können, und raus hier. Wir können die Motorräder kaum in der Vertikalen halten. Die Suche nach einem geeigneten Campingspot führt uns über einen Gebirgszug bis nach Lone Pine, etwa 80 Kilometer entfernt. Statt Sand herrschen hier Schnee und Kälte. Da das alles noch nicht genug ist, reißt auf dem Highway auch noch das Kettenschloss an Andreas GS. Mit eiskalten Fingern stehen wir am Straßengraben und reparieren die Kette notdürftig. So schaffen wir es bis zum nächsten Campingplatz.
Durch den Schnee in die Wüste
Randy aus Tecate hat uns zum Abschied einen Kettentrenner geschenkt. Ohne dieses Werkzeug wären wir jetzt aufgeschmissen. Wieder zurück durch die Berge, den Schnee und die eisige Kälte erreichen wir anderntags schließlich das Talbecken des Death Valley und fahren in den gleichnamigen Nationalpark ein. Hier herrschen im Gegensatz zu den Gebirgszügen rundherum angenehme Temperaturen um 20°C. Der tiefste Punkt des Tals liegt 85,5 Meter unter dem Meeresspiegel und ist die tiefste begehbare Stelle in Nordamerika.
Faszination Wüste
Im Sommer steigt das Thermometer auf über 50°C. Doch das Death Valley ist nicht nur einfach eine trockene Sandwüste. Es gibt die unterschiedlichsten Landschaften, wie den Golden Canyon mit seinen goldfarbenen Felsformationen, oder die Artists Palette, ein Hügel, der durch vulkanische Ablagerungen in verschiedenen Farbtönen zu bestaunen ist.
Traurig: Es rasselt und scheppert nicht mehr
Nach drei Tagen steckt der Wüstensand überall in unserem Equipment. Wir wollen ein wenig Action und fahren ins quirlige Las Vegas. In einem der Casinos das große Geld machen. Das wäre es! Doch seit unserem letzten Besuch in den Neunzigerjahren hat sich hier viel verändert. Das Rasseln, Scheppern, Klingeln und Hupen der Einarmigen Banditen gehören der Vergangenheit an. Der Plastikbecher mit Münzen ist einer Plastikkarte mit elektronischem Guthaben gewichen. Alles funktioniert elektronisch, sogar Roulette, Poker und Black Jack. Das alles macht einen höchst sterilen Eindruck.
Bier für 15 Dollar
Auf dem großen Boulevard, dem Sunset Strip, sehen wir uns die Mottohotels an. Hier steht der Eiffelturm schräg gegenüber der New Yorker Freiheitsstatue und nur ein paar hundert Meter weiter befindet sich eine Ägyptische Pyramide. Sämtliche Aktivitäten und auch die Shows sind überzogen teuer, selbst ein einfaches Bier geht nicht unter 15 Dollar über den Tresen. Vorbei sind die Zeiten billiger Zimmer, 99-Cent-Buffets und freier Getränke am Spieltisch.
Dort, wo Vegas wirklich Spaß macht
Wir folgen einem Tipp, die Fremont-Street in Downtown Vegas zu besuchen. Auch hier tobt das Leben, mit bunten Leuchtreklamen und unzähligen Clubs und Restaurants. Wir freuen uns an den Live-Bands, die in der überdachten und bunt erleuchteten Fußgängerzone einen Rockkracher nach dem anderen spielen und lassen uns das bezahlbare Bier aus den umliegenden Kiosken schmecken. Illegal, aber jeder tut es, und irgendwie ist es hier wohl geduldet. Unseren Geldbeutel freut es jedenfalls.
Anderntags fahren wir zu Tom und Becky im Norden der Wüstenmetropole. Die beiden haben wir im Death Valley kennengelernt. Wie wir sind auch sie Eishockeyfans, und sie haben uns spontan angeboten vorbei zu kommen, falls wir etwas an den Motorrädern schrauben müssen. Das Angebot nehmen wir gerne an, denn wir wollen an beiden Maschinen die mittlerweile schon arg rumpeligen Ketten tauschen. In der großen Garage, mit dem nötigen Werkzeug und Toms Hilfe ist das ruck zuck erledigt. Allemal besser, als in der prallen Sonne auf dem staubigen Hotelparkplatz.
Wir werden Zionisten
Unser nächstes Ziel liegt im Südwesten des US-Bundesstaats Utah: der Zion-Nationalpark. Das Schutzgebiet zeichnet sich aus durch seine Canyons mit braunen bis orangeroten Sandstein. Aber auch weiße Felsen, wie der Great White Throne, sind hier typisch. Wir ziehen die Wanderschuhe an und machen uns per pedes auf, den Park zu erkunden.
Das rote Meer
Der Bryce Canyon Nationalpark ist nur einen Katzensprung entfernt. Schon unterwegs können wir einige für Bryce so typische, rote turmartige Gebilde aus Sedimentsteinen bewundern. Diese sogenannten Hoodoos, mit ihren charakteristischen Profilen, leuchten im Park in den unterschiedlichsten Farben.
Von zart Rosa, über Gelb bis hin zu Rot. Und zu jeder Tageszeit changieren die Farben mit dem Lichteinfall. Als wir dort sind, verleiht Schnee dem ganzen Ensemble noch einen ganz besonderen Touch. Während einer ausgiebigen Wanderung können wir uns kaum satt sehen an den imposanten Formen und Farben.
Im Schnee
Als wir am nächsten Morgen aus dem Zelt krabbeln, staunen wir über unsere Motorräder. Sie haben sich über Nacht ebenfalls ein weißes Kleid angelegt. Zum Glück liegt noch nicht viel Schnee, wir beeilen uns trotzdem lieber mit dem Abbau und sehen zu, hier weg zu kommen.
Angesicht des angesagten Schneesturms ändern wir unsere Route und fahren in die entgegengesetzte Richtung, ins südwestlich gelegene Cedar-City. Die ersten 100 Kilometer kämpfen wir uns durch dichtes Schneegestöber und Schneematsch. Der direkte Weg nach Cedar führt über einen Gebirgspass. Bei einem Kaffeestopp erfahren wir von einem Trucker, dass die Straße kaum mehr passierbar ist – schon gar nicht per Motorrad. Also noch einmal 160 km Umweg – und das bei der Kälte. Zum Glück finden wir heraus, dass die Strecke durch den Zion Nationalpark frei von Schnee ist. Also reihen wir uns ein in die Blechlawine von Campervans und Wohnwagen, und fahren erneut durch den Zion Nationalpark. Zeitlich haben wir dadurch wahrscheinlich nichts gewonnen, aber immerhin rund 70 Kilometer gespart.
Du kummst hier net rein
Frisch aufgewärmt starten wir nach einer Nacht im beheizten Zimmer erneut in östliche Richtung. Dabei passieren wir das Monument Valley. Der eigentliche Park mit den weltberühmten Steinformationen und Tafelbergen gehört zum Navajo-Reservat. Mit den Motorrädern dürfen wir nicht durchfahren, sagt man uns an der Zufahrt ohne jegliche Erklärung für die offensichtliche Willkür. Aber den vollen Eintritt sollen wir trotzdem bezahlen. Nicht mit uns. Auch außerhalb des Parks sind viele der imposanten Tafelberge zu sehen.
Die Unerschrockenen
In der historischen Stätte Fort Bluff erfahren wir alles über die Pioniere der Mormonen, welche sich von der Kirche berufen fühlten um diesen Teil Utahs zu besiedeln. Um in Bluff anzukommen mussten sie bei einer beschwerlichen Expedition mit ihren Planwagen über den Hole-in-the-Rock-Trail, einem nervenaufreibend schmalen Pfad, der eine mehrere hundert Meter hohe Steilwand hinabführt. Das Fort wurde liebevoll restauriert und wieder aufgebaut, so dass man in den Hütten sich die Geschichte der jeweiligen Familien anhören kann. Erstaunlich, was die Menschen so alles auf sich genommen hatten.
Für uns geht der Weg wesentlich bequemer über die gut ausgebaute Straße weiter. Wir wollen noch weitere Naturwunder bestaunen und besuchen die Nationalparks Canyonlands und Arches bei Moab. Darüber und über neue Begegnungen mit Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber eine große Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gemein haben – und uns einmal mehr eindrückliche Erlebnisse verschaffen – lest ihr im nächsten Blog.
Kilometer: 54553 (+23989)
Unsere Route findet ihr wie immer hier.
Fotos:
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