Wir übernachten in brüllendem Sturm an einem Filmset, fahren hinein in eine der größten Schluchten der Welt, treffen auf sympathische Indigene und setzen schließlich mit der Fähre auf die Baja California über. Eindrucksvolle Erlebnisse, die wir nicht vergessen werden.

Gegen brüllenden Wind kämpfen wir uns auf der Panamericana nordwärts gen Durango. Unser Tagesziel liegt auf der anderen Seite der Großstadt. Am Rande des winzigen Dörfchens La Joya erwartet uns ein Leckerbissen. In der öden Landschaft wartet ein Kleinod: die ehemalige Ranch von Westernheld John Wayne.

Begegnung der dritten Art: Einer der Bewohner von La Joya.

Am Filmset

Knapp 40 Filme wurden hier in der Prärie gedreht. Die meisten davon Western, erzählt Armando, der heutige Eigner. Der sympathische Ranchero zeigt uns das Filmset – eine kleine Westernstadt mit einer Bank, Ställen, einer Kirche, einem Galgen. Und selbstverständlich einem Saloon, wie er nun einmal zum Western gehört. Uns ist es, als hörten wir den Pianospieler, der schlagartig sein Spielen einstellt, wenn die Bösewichte den Saloon betreten.

Klavier, Poker und Whisky – der Western-Saloon.

In der Sheriff-Station befinden sich gar Gefängniszellen. Und vor dem kleinen Bahnhof stehen zwei Waggons der Pacific Railroad. Wayne habe das 1051 Hektar große Land Anfang der Siebzigerjahre von seinem Vater gekauft, so Armando. Nach dem Tod des befreundeten Schauspielers fiel es an seine Familie zurück. Noch heute dient es regelmäßig als Kulisse. Erst letztes Jahr sei hier ein neuer Film gedreht worden, so der 59-Jährige.

Im Film oft umkämpft: Die Bank.

Der Sand durchdringt alles

Armando drückt uns einen Schlüssel in die Hand. Weit hinten in einem schönen Canyon befindet sich ein Farmhaus – ebenfalls Kulisse, in dem wir Schutz suchen dürfen. Denn mittlerweile ist selbst Gehen kaum mehr möglich, geschweige denn ein Zelt aufzubauen. Staubteufel und Sandböen durchdringen alles, selbst die Bikes gehen mehrfach zu Boden.

Horizontal gelagert: Der Sturm bringt die Dakar zu Boden.

Sturmschaden

Nach der eisigen Nacht im Canyon ist unser ganzes Gepäck, das Campingequipment und unsere Klamotte vom Staub durchdrungen. Selbst aus den Unterhosen rieselt es. Wir kommen zurück zum Filmset und sehen mit Entsetzen, was der Sturm angerichtet hat.

Trauriger Anblick: Der Sturm hat den Saloon und die Mining Corporation beschädigt.

Die Fassaden von Saloon und Mining Corporation sind zerstört. Doch sofort machen sich Armando und sein Sohn an die Reparatur. Schließlich soll ab April 2024 hier wieder ein Shooting stattfinden. Und wir werden künftig bei jedem Western genau hinsehen, wo er gedreht worden ist.

Oben bleiben: Der Wind drückt uns immer wieder fast zu Boden.

Ab ins Loch

Wir wenden uns weiter gen Norden. Unser Ziel ist ein spektakuläres Naturwunder im Bundesstaat Chihuahua, die 50 Kilometer lange und bis zu 1800 Meter tiefe „Barranca del Cobre“ (Kupferschlucht). Der Canyon zählt zu den größten Nordamerikas und ist gemessen an seiner Fläche rund viermal so groß wie der berühmte Grand Canyon in Arizona. Wir schrauben uns immer weiter in die Höhe, die Vegetation erinnert immer mehr an den Norden Kanadas mit weiten Ebenen und Pinienwäldern. Ein kleines Schlaglochsträßchen führt uns schließlich an den Rand der Schlucht. Die Ausblicke verschlagen uns den Atem. Der Canyon macht seinem Namen alle Ehre. Im strahlenden Sonnenschein begrüßt er uns in seinen typischen Rot-, Ocker- und Kupfertönen.

Tief im Loch: In der Barranca del Cobre.

Beschauliches Leben in der Schlucht

Die steil abfallende Straße führt uns in Serpentinen hinunter an den Rio Urique, dem wir nach Batopilas folgen. Das Dörfchen zählt zu den sogenannten Pueblo Magicos, einer Riege von 132 Dörfern und Städten in ganz Mexiko, die besonders pitoresk und authentisch sein sollen. Im Fall des beschaulichen und in buntesten Farben gehaltenen Batopilas trifft das definitiv zu.

Pittoresk: Die Plaza von Batopilas.

Freundlich winken die Opas mit Cowboyhüten von der Plaza herüber, als wir durch die engen Gassen fahren. Wir schlendern durch das Dorf hinunter zum Fluss und genießen die relaxte Atmosphäre. Immer wieder fallen uns die Tarahumara auf.

Farbenfroh: Die Tarahumara in ihren typischen Gewändern.

Die Frauen der Indigenen gewanden sich in bunten Kleidern, die Männer tragen den traditionellen weißen Lendenschurz.

Rastplatz: Die Landschaft auf dem Hochplateau lädt zum Verweilen ein.

Zurück auf dem Plateau

Anderntags schrauben wir uns die höllisch steile Straße wieder empor und halten uns nordwärts Richtung Creel. Zwar gibt es eine Verbindung hinüber zu unserem Ziel, dem Dorf Urique. Doch für die äußerst schwierige und steile Piste sind unsere Fahrzeuge zu schwer und die Reifen zu sehr abgefahren. Wir fahren auf dem Hochplateau entlang, und gelangen nach Creel. Ein weiteres der Pueblos Magicos. Doch warum der potthässliche, von Amerikanern überrannte und noch dazu heillos überteuerte Ort dazugehört, weiß niemand. Marketing und wahrscheinlich auch ein wenig Geld machen es möglich.

Schroffe Sache: Die Straße von Batopilas hinauf nach Creel.

Bei den Höhlenbewohnern

Doch treffen wir hier auf ein Kuriosum: Viele der Tarahumara leben hier noch heute in Höhlen. In der Cueva de Dona Petra erzählt uns Carolina, die Enkelin der mit 97 Jahren bereits verstorbenen Dona Petra vom Leben unter den riesigen Felsen. Gleich drei Generationen leben in ihrer Höhle, jeder hat sein Bett und geheizt wird mit einem Holzofen. Und der ist bitter nötig, denn in der kommenden Nacht fällt das Quecksilber auf minus 4 Grad.

Höhlenbewohner: Carolina erzählt uns vom Leben der Tarahumara in Höhlen.

Der Abstieg

Am nächsten Tag wollen wir wieder hinunter in die Schlucht. Auf einer steilen, einspurigen Schotterpiste in zahllosen Serpentinen winden wir uns gen Fluss hinab. Immer wieder tun sich beeindruckende Panoramen und Rundblicke über die Schlucht hinweg auf.

Raumgreifend: Die Kupferschlucht gehört zu den größten Canyons der Welt.

Die äußerst breite Hauptstraße dient als Landebahn für Versorgungs- und Rettungsflüge, wie Luis und Theresa, unsere Campingplatzwirte uns erzählen. Nur wenige Touristen nehmen die für vierrädrige Fahrzeuge vermutlich etwas beschwerliche Anreise auf sich. Und so erleben wir recht authentisch das Leben in den kleinen Dörfchen in der Schlucht.

Die Einsiedlerin

Auf einer Wanderung in einen der schroffen Seitencanyons mit teils mehrere hundert Meter abfallenden Felswänden treffen wir Susita. Wir kommen mit der betagten, mit großen Taschen und einem Rucksack schwer beladenen Tarahumara-Einsiedlerin ins Gespräch.

Rüstig: Susita, die Tarahumara, steigt mehrmals die Woche hinab nach Urique.

Sie erzählt uns, dass sie ganz oben am Rand des Canyons in ihrem Häuschen lebt und die mehrstündige Wanderung hinunter nach Urique mehrmals pro Woche absolviert, um sich mit dem nötigsten zu versorgen. Sie lädt uns ein, mit ihr weiter nach oben bis zu ihrem Domizil zu steigen und mit ihr zu Abend zu essen. Es tut uns in der Seele weh, die Einladung der sympathischen, etwas kauzigen Seniora auszuschlagen. Doch es ist bereits Spätnachmittag und wir müssen umkehren, um nicht in die Dunkelheit hinein zu wandern.

Auf Schusters Rappen: Beeindruckende Wanderung in einen Seitencanyon.

Tod mit 23

Zurück auf dem Campingplatz verwöhnt uns Theresa mit Pozole, einer scharfen, mexikanischen Gulaschsuppe, Reis und selbstverständlich den allgegenwärtigen Maistortillas. Weiter oben unter den Bäumen hat sich ein Grüppchen Einheimischer versammelt. Im Fackelschein erkennen wir einen Sarg. Es handelt sich um eine Totenwache, wir treffen die aus dem Nachbardorf stammende Mutter der mit nur 23 Jahren an einer schweren Krankheit Verstorbenen. Auch wenn sie einen gefassten Eindruck macht, können wir nur ahnen, was sie durchmacht.

In der Kirche aufgebahrt: Hier können die Menschen Abschied nehmen von der Verstorbenen.

Wir fressen Staub

Anderntags beraten wir mit Luis, wie es für uns weitergeht. Es gibt keinen Sprit an der Tankstelle, also warten wir noch einmal einen Tag, bevor wir die steile Schotterstrecke hinaus aus dem Canyon antreten. Luis hat uns die Offroad-Strecke durch die Berge hinunter nach Choix empfohlen. So reduzieren wir den Reifendruck und nehmen die 180 Kilometer unter die Räder.

Dreck fressen: Die Piste hinüber nach Choix ist nicht nur steil, sondern auch staubig.

Immer wieder begegnen uns riesige LKW der Minenbetreiber und hüllen uns in den weißen Staub der sandigen Strecke. Die Anstiege und vor allem die extremen Gefälle lassen uns mitunter erschaudern. Schließlich bringen wir noch eine harte, extrem felsige Piste hinter uns, bis wir nach 9 Stunden in Choix einfahren. Die anstrengende Offroadpassage war unterm Strich kein größeres Problem, hat uns aber geschlagene 300 Kilometer Umweg erspart.

Asphalt? Gibt es nur im Dorf Urique, alles andere ist Piste in allen Ausprägungen.

Zurück in der Zivilisation

Im 80 Kilometer entfernten Los Mochis hat uns Jorge eingeladen, ein paar Tage bei ihm zu verbringen. Der Endsechziger ist Zahnarzt, arbeitet indes nur noch Teilzeit. Das edle Haus steht im krassen Widerspruch zu uns eingestaubten Sandsäulen und den fahrenden zweirädrigen Dreckbatzen. Wir lernen die komplette Familie kennen, werden zu einem Geburtstag eingeladen, erleben ein Rockkonzert mit Jorges Neffen Luis am Mikrofon und machen schließlich einen Ausflug ins benachbarte Pueblo Magico El Fuerte. Das Kolonialstädchen war dereinst die Hauptstadt des wunderschönen, aber für seine Drogenkriminalität verschrienen Bundesstaates Sinaloa.

Herzlich: Jorge und Sandra.

Ab auf die Baja

Wir waschen unsere stinkenden, verdreckten Klamotten und die nicht weniger verdreckten BMWs, nehmen kleinere Reparaturen vor und buchen schließlich die Fähre von Topolobampo hinüber auf die Baja California, jene lang gezogene Halbinsel ganz im Nordwesten Mexikos. Einmal mehr müssen wir Abschied nehmen von liebgewonnenen Freunden, doch neue Abenteuer rufen. Dass wir mit dem Übersetzen auf die Baja das eigentliche, wahre Mexiko verlassen, ist uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.

Hasta luego, Sinaloa! Wir setzen über auf die Baja California.

Dennoch warten eindrucksvolle Ereignisse auf uns, darunter Korallenschnorcheln, Walbeobachtung, eine Kuttentaufe bei einem MC und schließlich eine Motorradtour gemeinsam mit 34 Mexikanern, die zu einem der intensivsten Erlebnisse unserer Reise wird. Mehr dazu im nächsten Beitrag…

Kilometer: 44503 (+23989)

Unsere Route findet ihr wie immer hier.

Fotos:

Bildwechsel im Slider unten: Ziehen mit der Maus bzw. Wischen.

0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3790
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3787
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3788
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3789
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3796
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3802
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3810
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3811
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3821
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3824
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-155058
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3825
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3831
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3839
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3849
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3855
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-161643
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3857
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3862
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3863
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-3866
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-102232
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-105413
0068_Sierra-Gorda_La-Joya-162551
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-161500
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3876
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3879
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3891
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3893
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3898
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3906
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3907
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3909
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3913
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3918
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3920
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3922
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3929
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3937
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-190530
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3943
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3948
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3950
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3957
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3959
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3965
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3969
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3974
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3992
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-184432
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3995
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-161239
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-161211
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-161151
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-152207
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-151413
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-150719
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-144628
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-143545
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-143006
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-141320
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-3998
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4039
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4006
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4009
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4012
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4013
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4018
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4021
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4022
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4033
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4034
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4035
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4038
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4049
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-140205
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-140114
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-134616
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-123923
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-123813
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-120557
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-120052
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-112357
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-4004
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-111659
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-111050
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-141128
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-131722
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-131406
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-131232
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-003752
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-002332
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-230615
0069_Parral_Barranca-del-Cobre-230038
previous arrow
next arrow