Von der Glitzerwelt in Bangkok aus tauchen wir ein in eines der ärmsten Länder der Welt ein. In Kambodscha findet unser Reisebegleiter sein neues Zuhause. Wir erfahren von schockierender Grausamkeit, die das Land noch heute prägt. Und entdecken eindrucksvolle Kultur, liebenswürdige Menschen und ein atemberaubendes Welterbe.
Die thailändische Hauptstadt Bangkok ist eine der verrücktesten und schillerndsten Metropolen, die wir je bereist haben. Und ehrlich gesagt fällt es uns schwer, uns loszureißen. Doch Land Nummer 21 wartet. Kambodscha bildet einen krassen Kontrast zu Thailands Hauptstadt. Die Armut ist gerade auf dem Land sehr greifbar.

Bang und sein neues Zuhause
Wir wollen dem herrenlosen, rund einen Meter großen Teddybären, den wir in Bangkok auf einer Mülltonne sitzend aufgelesen haben, ein neues Zuhause geben. Nach dem Fundort Bangkok haben wir unserem neuen Gefährten den Namen „Bang“ gegeben und nehmen ihn kurzerhand mit über die Grenze nach Kambodscha. Im durch das Welterbe Angkor Wat bekannten Siem Reap hat es sich die Nichtregierungsorganisation REACH zum Ziel gesetzt, Kindern aus armen Familien eine Perspektive zu geben. Die Mitarbeiter empfangen uns herzlich, nehmen Bang entgegen und zeigen uns die Einrichtung.

340 Kinder aus 180 Familien haben hier an sechs Tagen pro Woche die Chance, Englisch zu lernen, aber auch Lebensmittel anzubauen, Computer zu bedienen und sogar Fahrräder zu reparieren. Auch medizinische Betreuung und Verpflegung erhalten die Kleinen vor Ort. Die australische NGO finanziert das Projekt ausschließlich über Spenden, die übrigens auch in Deutschland abzugsfähig sind.

Mit Feuereifer
Die Kinder sind wissbegierig und mit Eifer bei der Sache. So gibt REACH nicht nur seinen Schützlingen eine Perspektive für ihr Leben, sondern auch deren Familien. Denn das Bildungssystem in Kambodscha ist dafür schlicht nicht ausreichend. Wir verlassen REACH mit dem guten Gefühl, dass die Kinder eine Zukunft haben – in einem der ärmsten Länder der Welt. Und dass wir Bang ein neues Zuhause mit vielen neuen Freunden verschaffen konnten.

Kultureller Leckerbissen
Wir sind aufgeregt, denn mit Angkor Wat dürfen wir einen historisch-kulturellen Leckerbissen erwarten, der Macchu Picchu, Tikal und Teotihuacan in nichts nachsteht. Die riesenhafte Tempelanlage ist nicht nur das Wahrzeichen Kambodschas schlechthin und Teil der Landesflagge, sondern seit 1992 UNESCO Welterbestätte.

Große Mystik umweht den 162 Hektar großen Komplex und seine faszinierenden hinduistischen und buddhistischen Tempel. Wir spüren die Magie des Ortes. Wie mögen seine Erbauer, die Khmer, gewesen sein? Reich auf jeden Fall, soviel steht fest. Der Kern der Anlage stammt sehr wahrscheinlich aus der Mitte des 12. Jahrhunderts und wurde über die Jahrhunderte hinweg immer mehr erweitert. Sehr früh hielt mit König Jayavarman, dem VII. der Buddhismus Einzug und löste den Vishnu-Hinduismus ab, woraus sich eine Melange an Baustilen ergab.

Im Griff der Feigen
Auch heute ist Angkor Wat (Wat = Tempel) ein spirituelles Zentrum der Buddhisten. Dort, wo keine Wassergräben die eindringende Natur zurückhalten, erobert sich die Flora, allen voran die aggressive Würgefeige, die historischen Gemäuer. Das ergibt ein einzigartiges Ensemble, die Natur lässt ihre Muskeln spielen.

Ratten als Helden
Andrea plagt sich seit Chiang Mai mit Magen-Darm-Malaisen herum – bei Temperaturen um 40 Grad kein Spaß. Daher verschieben wir die weitere Besichtigung auf den nächsten Tag. Bei der Recherche stößt Tom auf ein Kuriosum, dass er unbedingt sehen will. Große Teile von Kambodscha sind heute noch vermint. Immer wieder kommt es zu tragischen Unfällen mit Bauern, Transporteuren und sogar Touristen. Die NGO APOPO trainiert Afrikanische Riesenbeutelratten darauf, Minen und Munition aufzuspüren. Die drolligen Pelzträger haben einen außerordentlichen Geruchssinn, und nur solche Exemplare, die bei ihrer Prüfung 100 Prozent der tödlichen Gefahren aufspüren, kommen auch tatsächlich zum Minensuchen zum Einsatz.

Der Clou daran: mit den Beutelratten lassen sich die fraglichen Areale deutlich schneller räumen, als mit Metalldetektoren. Gertrud, ein bereits pensioniertes Weibchen, zeigt uns an einem Modellfeld, wie sie Minen aufspürt, und wir dürfen die charmante Dame sogar auf den Arm nehmen.

Unglaubliche einheimische Küche
Andrea geht es etwas besser, und so wenden wir uns gen Süden, um den großen, zentral im Land gelegenen See Tonle Sap zu umrunden. In Batambang beziehen wir das kleine Hostel von Anut, einer leidenschaftlichen Köchin. In ihrem kleinen Restaurant genießen wir die typisch kambodschanischen Gerichte wie Amok – eine Art rotes Curry mit speziell kambodschanischer Würzung – und Lok Lak, ein Rindfleischgericht mit Gemüse und Kampot-Pfeffer. Anuts Küche gehört zur besten auf der ganzen Reise.

Die Mittvierzigerin nimmt uns mit auf den Markt und erklärt uns, was angeboten wird und wozu man es verwendet. Und dass wir in den Garküchen einfach den Deckel vom Topf heben dürfen, um die Schmankerln zu betrachten.

Vom Bett ins Meer
Noch lange denken wir an Anut zurück, als wir schließlich an der Küste eine urige kleine Hütte direkt am Sandstrand beziehen. Das winzige Kleinod mit der urigen Bar wird von einer Mazedonierin und einem Franzosen geführt. Morgens direkt vom Bett ins Meer, vom Meer an den Frühstückstisch. Das Leben könnte schlechter sein.

Wo der Pfeffer wächst
Trotz allen Müßiggangs recherchieren wir viel und kommen zum Schluss, dass wir uns das nahe Kampot und seine durch den hocharomatischen Kampot-Pfeffer weltberühmten Plantagen nicht entgehen lassen dürfen. „La Plantation“ entpuppt sich als Plantage, auf der nicht nur alle Sorten von Pfeffer nachhaltig und kontrolliert biologisch gedeihen.

Der Betrieb unterstützt zudem soziale Projekte in der Region. Wir erfahren alles über das Terroir, das optimale Klima für Pfeffer, was die Pfeffersorten unterscheidet und wie Trocken- und Regenzeit Einfluss nehmen. Und eine Verkostungsrunde offenbart, warum der Pfeffer und seine Würzmischungen bei Spitzen- und Hobbyköchen in aller Welt so begehrt sind.

Im Namen der Schelle
In der Stadt treffen wir den deutschen Hotelier Andreas Schlömer, der sich obendrein auch noch als Düsseldorfer entpuppt. Der Handwerker und Künstler hat das Buddha-Gemälde an der Fassade des AK 47 Clubs in Düsseldorf-Flingern gemalt und sich so eine Art Denkmal in der Landeshauptstadt geschaffen. In Andis Bar treffen wir auf weitere Deutsche und Österreicher, die ganz oder zeitweise in Kambodscha leben. Als Andrea erwähnt, dass ihre Auspuffschelle schon wieder gebrochen ist, sind alle Feuer und Flamme, kramen Flex, Edelstahlplatten und Werkzeug hervor. In Windeseile und nur wenige Biere später ist eine neue Schelle aus V4A gefertigt.

Wir beschließen, noch einmal einen Tag am Meer zu verbringen. Es wird das letzte Mal für eine lange Zeit sein, denn in der Folge soll es gen Norden durch China, Tibet, Nepal und Indien nach Pakistan und Afghanistan gehen.

Inmitten des Grauens
Anderntags verabschieden wir uns von unseren neuen Freunden und fahren in die Hauptstadt Phnom Penh, wo wir auf schreckliche Ereignisse aus der Vergangenheit stoßen sollen. Direkt ums Eck von unserem Hotel liegt ein Ort unverstellbaren Grauens.

In dem Foltergefängnis Tuol Sleng, damals als S-21 tituliert, wurden zwischen 1976 und 1979 rund 20.000 Menschen inhaftiert, gefoltert, verstümmelt und ermordet. Entweder sie wurden hier zu Tode gequält oder auf die Killing Fields, jene berüchtigten Hinrichtungsstätten geschickt. Es ist nicht einmal ein Dutzend, das dieser Hölle zu entrinnen vermochte. Es waren zunächst Intellektuelle, Geistliche, Lehrer, Beamte, Arbeiter, Ingenieure, die vom Terrorregime der Roten Khmer unter Pol Pot verhaftet worden waren. Bald traf es alle Bevölkerungsschichten.

Unter barbarischer Folter wurden Geständnisse und Denunziationen herausgepresst. Meist wurden ganze Familien ins S-21 gebracht. Kinder wurden sofort ermordet, Erwachsene wurden in winzigen fensterlosen Zellen oder in Massenzellen mit den Füßen in Metallstangen auf dem blanken Boden fixiert. In den Verhörräumen sehen wir die Bettgestelle, an die die Khmer-Rouge-Schergen die Gefangenen während der „Verhöre“ fesselten. Die schockierenden Einzelheiten zu Tuol Sleng sind in der englischsprachigen Wikipedia treffend zusammengefasst.

Kinder am Baum totgeschlagen
Uns stockt der Atem, wir ringen mit Übelkeit. Wir haben in unseren Leben viel gesehen, doch solche Barbarei ist uns noch nie untergekommen. Und wir bangen vor dem, was wir anderntags in Choeung Ek, einem der größten der rund 300 Killing Fields in Kambodscha zu sehen bekommen werden.

In der Mitte der Anlage wurde zum Gedenken der Toten ein buddhistischer Stupa errichtet, der menschliche Schädel beherbergt. Zum Teil eingeschlagen, denn um die teure Munition zu sparen wurde niemand erschossen, meist wurden die Gefangenen erschlagen, aufgespießt oder aufgeschlitzt und schließlich in Massengräber geworfen.

Besonders berührt uns der „Killing Tree“. Neben einer Grube für Leichen haben die Entdecker dieses Todesfelds an einem großen Baum Hautfetzen, Knochensplitter und Gehirnreste gefunden. Hier haben die Mörder Babys und Kleinkinder an den Füßen gepackt und so lange mit dem Kopf gegen den Baum geschlagen, bis sie tot waren.

Rund zwei Millionen Menschen sind dem Genozid der Roten Khmer in vier Jahren zum Opfer gefallen. Und das Land wirkt noch heute traumatisiert auf uns.
Die positiven Seiten der Hauptstadt
Gottlob hat Phnom Penh auch Posiitives zu bieten. Wir besichtigen den Königspalast uns die angrenzende Silberpagode, Schlendern die Uferpromenade Tonle Sap entlang, wo der Tonle Sap Fluss in den gewaltigen Mekong mündet. Am wuseligen Nachtmarkt probieren wir die Speisen der einheimischen Garküchen und nehmen in den Bars das eine oder andere nationale Bier.

Wir machen uns auf gen Norden. Mit Sambor Prei Kuk erwartet uns eine weitere historische Stätte und UNESCO Welterbe. Es handelt sich um die Überreste der Stadt Isanapura aus dem 6. Jahrhundert, der Hauptstadt des Chenla-Königreichs. Wir fahren die Tempelanlagen mit geliehenen Fahrrädern ab. Heute ist die Anlage von den Minen der Roten Khmer und den Bomben der Amerikaner unter Richard Nixon gesäubert.

Am Mekong
Bevor wir schließlich ins nördlich gelegene Laos ausreisen, wollen wir noch hautnah erfahren, wie die Menschen am und vom Mekong leben. Nahe Kratie quartieren wir uns bei einer kambodschanischen Familie in einem Homestay ein. Schon morgens um fünf weckt uns der Trubel des täglichen Marktes, wo neben einheimischen Obst und Gemüse auch Fleisch und lebende Tiere feilgeboten werden. Mit dem TukTuk machen wir uns mit dem Wirt Mr. Sok auf den Weg zu den Mekong-Delfinen. Mit einem Elektroboot fahren wir auf den Strom hinaus. Allenthalben springen die verspielten Tiere aus dem Wasser und tollen in Gruppen auf dem Fluss herum. Ein Schauspiel der Extraklasse.

Mr. Sok zeigt uns die angrenzenden Reisfelder, die Herstellung von Klebreis, eine Reismühle und eine Pilzfarm. Es schockiert uns einmal mehr, wie sehr das Land vermüllt ist. Am anderen Straßenrand feiert eine Gruppe etwas angetrunken mit Bier und lauter Musik das Khmer-Neujahr Chol Chnam Thmey. Etwas früh, denn der Jahreswechsel ist erst drei Tage später. Einerlei, die Kambodschaner winken uns herüber, bespritzen uns nach deren Tradition mit Wasser und Babypuder, drücken uns Bier in die Hand und tanzen mit uns. Doch es wird langsam dunkel und Mr. Sok gemahnt zum Rückweg.

Wir haben die herzliche Familie von Mr. Sok ins Herz geschlossen, dennoch müssen wir weiter, denn Laos ruft. Und dort werden wir Dinge erleben, wie wir sie im Leben nie zuvor gesehen haben.
Kilometer: 89206 (+23989)
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