Immer wieder macht uns die Witterung mit Regenfällen, Schnee und Eis zu schaffen. Dennoch zieht uns die Natur im Bundesstaat Utah und im Nordwesten der USA in ihren Bann. Und wie immer stoßen wir auf interessante, hilfsbereite und gastfreundliche Menschen.

Immer wieder passieren wir tiefe Canyons und fahren zwischen roten Sandsteinformationen hindurch. Unser Ziel ist der Canyonlands Nationalpark. Der Zusammenfluss von Colorado River und Green River teilt den riesigen Park in drei Sektoren.

Fahrspaß: Auf in den Canyonlands Nationalpark.

Das Bahnhofsklo

Wir machen einen Abstecher zum Needles District. Der Sektor ist nach den bizarren roten, grünen und beigen Felstürmen benannt, die den Teil säumen. Wir besuchen zunächst den am Wegrand liegenden Newspaper Rock. Der Name des Felsens ist recht treffend. Denn hier haben die Kulturen der Archaic, Anasazi, Fremont, Navajo, Anglo und Pueblo-Indianer ihre Petroglyphen hinterlassen. Wir schmunzeln und denken an ein Bahnhofsklo – sobald irgendjemand irgendwo etwas hinkritzelt, kritzeln danach weitere Leute immer mehr dazu.

Bahnhofsklo? Nein, der Newspaper Rock mit Petroglyphen aus vielen Epochen.

Zwischen Fels und Tafelberg

Noch vor den Parkgrenzen schlagen wir in der Wüstenlandschaft, umringt von Felsen und Tafelbergen, unser Zelt auf. Die Kulisse ist atemberaubend, und zudem noch kostenlos. Wir bevorzugen das Wildzelten. Denn so haben wir unsere Ruhe und sparen obendrein die in den USA mitunter horrenden Campingplatzgebühren.

Steinhart: Blick vom Zelt in die Felslandschaft rund um den Canyonlands NP.

              Anderntags unternehmen wir eine 19-Kilometer-Wanderung, die uns den Atem raubt. Immer wieder führt uns der Weg zwischen hohen Needles hindurch, über weite Plateaus und hinein in tief eingeschnittene, kaum schulterbreite Felsspalten. Bei einem Bier beobachten wir abends vor unserem Zelt, wie der Sonnenuntergang die umliegenden Tafelberge in glühendes Rot taucht.

Heaven shall burn: Sonnenuntergang im südlichen Utah.

Zu Gast bei Fremden

              Als wir weiterfahren, wissen wir nicht so recht, was uns erwartet. Zum ersten mal werden wir einen Bunk-a-Biker-Host besuchen. Dahinter steckt eine Plattform, über die Motorradfahrer durchreisenden Bikern Unterkunft anbieten. Wir fahren in Moab im US-Bundesstaat Utah ein. Das stark vom Tourismus geprägte Örtchen liegt ideal zwischen den Nationalparks Canyonlands und Arches gelegen und ist damit der ideale Ausgangspunkt für Ausflüge in beide Parks. Unser Gastgeber Robert und seine aus Belgien stammende Frau Monique nehmen uns herzlich bei sich auf. Und wissen auch genau, dass Deutsche nach dem Motorradfahren gern ein kaltes Bier in die Hand nehmen.

Rotes Meer: Orange bis Ocker präsentiert sich die Landschaft um Moab.

Auf Offroadtour

Die beiden Mittziebziger haben einen Jeep, und Robert hat einige Jahre als Guide für professionelle Offroad-Touranbieter gearbeitet. So bietet der Kenner beider Parks uns an, mit ihm eine Allradtour zu unternehmen. Über Pisten, die wir kaum zu Fuß gehen, geschweige denn mit den BMWs fahren würden, zeigen uns die beiden Seiten von Arches und Canyonlands, die kaum ein Tourist zu sehen bekommt.

Umfall-Hergang: Der Fels liegt schon länger dort.

Arches besticht mit seinen teils riesigen Steinbrücken und -bögen. Im Canyonlands NP fahren wir auf dem Shaffer-Trail, einer steilen Piste, die sich an der Felswand entlang emporwindet bis auf das Hochplateau über dem Zusammenfluss der beiden Flüsse. Die Panoramen über die Felsenlandschaft hinweg beeindrucken uns zutiefst.

Kletterpartie: Auf dem Shafer-Trail schrauben wir uns gen Hochplateau.

Ohne Blumen im Haar

              Wir müssen einmal mehr Abschied nehmen. Unsere zuvor völlig fremden Gastgeber haben wir sehr ins Herz geschlossen, doch haben wir einen Flug nach San Franciso gebucht. So fahren wir den öden Interstate gen Norden in die stark im Wachsen begriffene Wüstenmetropole Salt Lake City. Auch ohne Blume im Haar spuckt uns der Flieger schließlich in der Wiege der Hippie-Bewegung aus. Es ist unverkennbar, dass Fishermans Wharf, Chinatown und Co bereits bessere Tage gesehen haben. Die Fahrt mit dem Cable Car macht heute hingegen genausoviel Spaß wie bereits vor 35 Jahren.

Angekabelt: Die Fahrt mit dem rumpeligen Cable Car in San Francisco.

Wir treffen Paula und Paul. Die gebürtige Panamaerin und ihren amerikanischen Ehemann haben wir in Panama kennengelernt, wo uns die beiden stante pede in ihre Wahlheimat am Golden Gate eingeladen haben.

Einladend: Unsere Freunde Paula und Paul aus San Francisco.

Altbier in San Francisco

Wir erkunden das Sonoma Valley, die lauschige, sündhaft teure Weingegend im Norden der Metropolregion, den Golden Gate Park mit der gleichnamigen Brücke sowie mehrere Hausbrauereien und ein deutsches Restaurant mit einem angeschlossenen Laden. Dort entdecken wir sogar das legendäre Uerige Altbier aus Düsseldorf.

Mein Freund, der Baum: Coastal Redwood (Rotzeder)

Ab in den Knast

Besonders beeindruckend: die in der Bucht gelegene Insel Alcatraz, zunächst eine Festung zur Verteidigung gegen Eindringlinge. Zwischen 1934 und 1963 diente der Felsen als Bundesgefängnis für Schwerverbrecher. Audioguides führen durch den tristen Zellentrakt. Jede einzelne Zelle ist kaum größer als die Pritsche darin.

Bedrückend: Der Zellentrakt auf Alcatraz.

Wer sich nicht gebührend benahm, kam ins Loch, eine kalte Einzelzelle in kompletter Dunkelheit ohne jede Möbel. Wir erfahren von Aufstand und Fluchtversuchen, dem täglichen Leben und den „prominentesten“ Insassen, darunter der Mafiaboss Al Capone.

The rock: Erst Festung, dann Knast – dann kamen die Indianer.

Eine Sonderausstellung informiert über eine Begebenheit in der Historie der Insel, die uns bis dato hingegen unbekannt war: 1969 besetzten Indigene verschiedener Stämme die Insel, aus Protest gegen ihre Benachteiligung und ihre Lebensumstände. Nach rund 19 Monaten stürmten Regierungstruppen 1971 die Insel. Dennoch wurde den Indianern von Präsident Nixon in der Folge weitergehende Rechte eingeräumt.

Zwiegespalten: Denn Insassen ging es mies, die Wärter hatten ein schönes Leben.

In die Kälte

Wir fliegen zurück nach Salt Lake und wenden uns weiter gen Nordwesten. Über Idaho soll uns unser Weg über knapp 1200 Kilometer nach Portland im US-Bundesstaat Oregon führen. Mit jedem Kilometer wird es kälter, wir haben alles an, was wir an Oberbekleidung dabei haben. In einer eisigen Nacht in einem National Forest bei Burns fällt uns die hintere Zeltwand ins Gesicht. Es hat geschneit – 20 Zentimeter – und der schwere, nasse Schnee drückt die Wand ins Innere.

Mords-Sauerei: Der pappige Schnee hätte fast unser Zelt erdrückt.

Der Schnee droht immer höher zu werden und so bauen wir bei fiesem Gestöber ab. Die schwache Batterie der Dakar macht die rund Null Grad nicht mit, also Startkabel zücken und die weiße Bayerin defibrillieren, bevor wir uns über knapp 200 Kilometer frierend wie die Schneider durch Schnee und Schneematsch gen Bend kämpfen. Entkräftet und blau gefroren gönnen wir uns ein Motelzimmer. Mit Heizung und warmer Dusche – fast schon spießig!

Schneeanzug: Der Mount Washington in Oregon im weißen Kleid.

In der Werkstatt

Am nächsten Tag ist es zwar immer noch kalt, doch zumindest trocken. Und als wir uns zwischen Mount Washington und Mount Jefferson hindurch schlängeln, streichelt uns sogar die Sonne. Da wir mit Bunk a Biker nun schon eine erste Erfahrung gemacht haben, quartieren wir uns bei David und Susan in Estacada ein. Zwar diesmal nur zwei Pritschen in einer Werkstatt, doch auch hier soll es sich als Glücksgriff erweisen. Zum einen, weil sich die beiden als sehr sympathisch, wenn auch sehr bodenständig entpuppen. Zum anderen weil für die kommenden drei Tage Kälte und Dauerregen angesagt ist und wir die Hallen und Werkzeuge des Betriebs – eine der renommiertesten Werkstätten für die Marke Jeep – zum Schrauben nutzen dürfen. So tauschen wir an der Dakar das Zentralfederbein sowie das Öl, an der GS wechseln wir den Vorderreifen und nehmen die Umlenkung auseinander, während es draußen Bindfäden vom Himmel ergießt.

Striptease: Wir nehmen die Dakar halb auseinander.

Der Zirkus

An Tag 4 ist langsam an Weiterfahren zu denken. Dave – ebenfalls Host auf der Plattform – hatte uns nach Corvallis – nur 85 Kilometer entfernt – eingeladen. Der 52-Jährige hat schon alles gefahren, was zwei Reifen besitzt. Seine private Werkstatt hängt voller Memorabilien von Rallyes, Offroadtrips und bei Stürzen zerdengelter Motorradteile. Mit vier Brüdern hat er den „Circus“ ins Leben gerufen. „Hayduke“, so Daves Circus-Alias, erzählt von der Hardcore-Tour durch die Wüste, die den „Circus“ formte. Sie verirrten sich, die Wasservorräte schwanden, ein verlorenes und vom nachfolgenden Fahrer überrolltes Handy, zahllose Stürze auf Pisten, die andere kaum zu Fuß hinter sich bringen würden. Je verrückter, desto besser – das macht den Circus um Hayduke, Tiny Dancer, Goose, Gandalf und Don Juanson aus.

Motorradfanatiker unter sich: Dave (r.) präsentiert Tom den neuesten Flurschaden.

Der Irak-Veteran Dave und seine Freunde kehren gerade von einer Tour durchs Death Valley zurück, bei der sie sich nach einer schier unmöglich erscheinenden Piste unter anderem durch die Stollen einer stillgelegten Talkum-Mine kämpften. Auf ihren Enduros, versteht sich. Abgerissene Fußrasten, gerissene Ketten, zerdepperte Bremsanlagen – nichts kann die fünf eingeschworenen Brüder aufhalten.

Dave kniet vor seiner KTM 990 LC8 Adventure und zeigt uns den Flurschaden, den ein Felsen auf einem Single Trail hinterlassen hat. Ein weiteres Projekt für den fanatischen Selbstschrauber. Eine Motorrad-Erfahrung fehlt Hayduke indes noch: eine Langzeitreise auf zwei Rädern. Fasziniert saugt er daher unsere Erfahrungen auf.

Sechser im Lotto: Pete konnte eine komplette Rösterei übernehmen.

Beim Kaffeeröster

Infiziert mit dem Motorradreise-Virus verabschieden wir uns von Dave und seiner Frau Morgan. „Ihr müsst unbedingt unsere Freunde Pete und Sarah in Astoria kennenlernen, das sind auch Motorradfahrer“, geben sie uns auf den Weg mit. Da das Städtchen ohnehin auf unserem Weg liegt, statten wir den beiden einen Besuch ab. Und ein weiteres Mal treffen wir auf faszinierende Menschen. Sie betreiben in Astoria an der Grenze zwischen Oregon und Washington eine kleine aber feine Kaffeerösterei.

In ihrem Element: Kaffee ist der Lebensinhalt von Pete und Sarah.

Sein Job hatte Pete in Seattle ohnehin jahrelang genervt. So schmissen sie alles hin und kauften das alte Haus samt Rösterei direkt am Columbia River, über den täglich Frachter gen Portland fahren. Bei einem IPA erzählen uns die beiden, wie sie in Seattle bereits in kleinem Stil für den Eigenbedarf Kaffee geröstet und nun mit einem kompletten Betrieb schließlich das Hobby zum Beruf gemacht haben.

Anderntags dürfen wir mithelfen beim Rösten, Pete erklärt uns alles an der Röstmaschine, während Sarah die höchst zufriedene Kundschaft bedient.

Große Liebe: Moto Guzzi ist Petes zweite Leidenschaft.

Zum Abschied drücken uns die beiden ein Päckchen einer Whisky-Kaffee-Röstung in die Hand. „Gebt das Liz, sie erwartet Euch schon.“ Am Abend zuvor hat uns Pete von seiner ehemaligen Kollegin und guten Freundin erzählt. Mit ihr war er mit seiner Moto Guzzi bereits in Alaska. Liz wohnt zwar in Seattle, besitzt mit ihrem Ehemann Fraser aber ein großes Wochenendhaus bei Sequim/Washington, mitten im Grünen, wo sich Koyote und Weißkopfseeadler gute Nacht sagen. Dort will Liz uns empfangen. Wir freuen uns, im Freundeskreis „weitergereicht“ zu werden. Denn es zeigt uns, dass wir einiges richtig machen.

Unglaubliche Gastfreundschaft: Liz und Fraser in Sequim/Washington.

Nach knapp 450 Kilometern Fahrspaß durch ausgedehnte Wälder, an Seen und Buchten vorbei, erreichen wir schließlich Sequim, wo uns die beiden bereits erwarten. Wir staunen Bauklötze über das riesige Grundstück, das große, gepflegte Haus und das saftig-grüne Ambiente. Und es verschlägt uns erst recht den Atem, als Liz und Fraser uns ein Angebot machen, das wir schlichtweg nicht ablehnen können…

Kilometer: 58286 (+23989)

Unsere Route findet ihr wie immer hier.

Fotos:

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