Die GS hält uns weiter auf Trab. Doch trotzdem erleben wir den Trubel einer der größten Metropolen der Welt, nehmen an einem zeremoniellen Dampfbad teil und wandern zwischen Vulkanen.
Vom verschlafenen Dorf bei Teotihuacan in eine der pulsierendsten Metropolen der Welt – Mexico City. Der Unterschied könnte kaum größer sein. Da die GS nicht einsatzbereit ist, fahren wir für ein paar Pesos bequem mit dem Bus. Augusto, der Sohn von Eduardo, holt uns vom Busbahnhof ab. Die erste Nacht verbringen wir bei ihm und seiner Freundin Junuen.
Am nächsten Tag heißt es früh aufstehen, die beiden müssen arbeiten und wir die Unterkunft wechseln. Junuen nimmt uns mit zur Metro und erklärt uns das System von Metro, Bus und Co. Wir fahren vom Norden der Stadt bis ganz in den Süden, was uns geschlagene zweieinhalb Stunden, eingequetscht in den knackvollen Zügen, kostet. Weil um die Zeit alle zur Arbeit fahren, denken wir. Die nächsten Tage stellen wir fest, dass die Züge und Busse zu jeder Tageszeit voll sind. Es sind einfach zu viele Menschen, die in diesem gigantischen Ameisenhaufen leben.
Wir gondeln
Endlich in Xochimilco angekommen, einem einfachen Arbeiterviertel welches südlich an Mexiko-Stadt grenzt, unternehmen wir eine Tour durch die Kanäle mit einer der farbenfrohen Trajineras (Gondeln). Die Kanäle sind die letzten Überreste eines von den Azteken erbauten Bewässerungssystems. Es ist Wochentag und daher relativ ruhig. An den Wochenenden sei hier Party angesagt, erklärt unser Kapitän. Dabei gehen auch schon mal Passagiere über Bord und nicht jeder kann wieder herausgefischt werden.
Von den vielen Ertrunkenen zeugen die Munecas (Puppen), welche am Ufer aufgehängt sind. Laut einer Legende hat der Wächter einer nahegelegenen Insel die Leiche eines kleinen Mädchens am Ufer entdeckt. Danach behauptete er, der Geist des Mädchens habe Besitz von einer Puppe ergriffen und um sich zu schützen, begann er Puppen aller Art am Ufer aufzuhängen. Heute erzählen die Kapitäne ihren Gästen gerne, dass für jeden Ertrunkenen eine Puppe aufgehängt wird. Auf jeden Fall ist es gruselig anzuschauen.
Die Bude platzt
Einmal im Leben will Tom ein Fußballspiel bei den Latinos live erleben. So fahren wir am Abend ins Azteken-Stadion. Mit 81.070 überdachten Sitzplätzen eines der weltweit größten Fußballstadien. Heute ist Länderspiel Mexiko gegen Honduras. Tom hüllt sich in eine Fahne und lässt sich standesgemäß ein Facepaint in den Nationalfarben verpassen. Die Stimmung in dem restlos ausverkauften Estadio Azteca ist heiß. Und als Mexiko mit 4:2 nach Elfmeterschießen gewinnt, platzt die Bude.
Die nächsten Tage schlendern wir durchs Zentrum und machen Bustouren zu den verschiedenen Stadtviertel. Dabei heißt es jedes Mal früh aufstehen, denn die Wege sind enorm weit. Das Zentrum ist ein riesiger Markt. Dicht an dicht reihen sich Stände die hauptsächlich kitschige Weihnachtsdeko feilbieten. Die Leute kaufen wie verrückt. Wahrscheinlich wird das Angebot nach Weihnachten gegen anderen Kitsch getauscht. Die Latinos stehen eben drauf, und die Mexikaner ganz besonders.
Auf dem Heuschreckenhügel
Besonders angetan hat uns der Bosque Chapultepec (Nahuatl-Wort für Heuschreckenhügel). Dieser mit einer Fläche von über vier Quadratkilometern größte Park der Stadt beherbergt neben einigen Seen, ein Schloss und das Anthropologische Nationalmuseum. Die Stätte beherbergt eine archäologische Sammlung der präkolumbischen Vergangenheit bis zur lebenden, indigenen Kultur. In dem gigantischen Museum könnte man drei Tage verbringen und hat wahrscheinlich nicht alles gesehen.
Das Schloss, welches der hier regierende Habsburger Kaiser Maximilian 1864 zur Residenz umbauen ließ, steht auf dem Gipfel des Chapultepec. Von hier aus genießen wir die Aussicht auf das pulsierende Zentrum der Stadt.
Nebenher treiben wir Ersatzteile für die malade GS auf. Neben Ölschläuchen und einer Schlauchtülle, um den defekten Deckel zu reparieren, besorgen wir bei BMW die Ventildeckeldichtung. Auch wenn wir nicht glauben, dass das Bauteil defekt ist, wollen wir auf Nummer Sicher gehen.
Neue Nippel braucht das Land
Zurück in Teotihuacan machen wir uns an die Reparatur der GS. Während wir schrauben versorgt uns Eduardo mit leckerem mexikanischen Essen. Als Ersatz für den abgerissenen Anschlussnippel kleben wir eine Schlauchtülle aus Metall mit 2-Komponenten-Epoxid in den Ventildeckel. Abgedichtet wird das ganze mit Silikon. Da es nun ordentlich aushärten muss, verschieben wir den Einbau auf den nächsten Tag.
Am nächsten Morgen rennt Eduardo hektisch durch den Garten und bittet uns, beim Aufräumen zu helfen. Eine Reisegruppe hat seinen Temazcal gebucht. Beim Temazcal handelt es sich um ein Dampfbad aus dem mesoamerikanischen Raum, welches in einer runden Hütte mit einem Durchmesser von 2-4 Metern und einer Höhe von höchstens eineinhalb Metern stattfindet.
Wo anfangen mit Aufräumen in dem ganzen Chaos? Ein Handgranatenwurfstand ist ein Ausbund an Ordnung im Vergleich zu Eduardos Garten. Zu allem Übel liegt Biomüll gleich neben den improvisierten Gartentischen. Irgendwie schaffen wir es aber, dass alles halbwegs passabel aussieht, als die Gruppe anrückt.
Schwitzen bei Pachamama
Wir sind aufgeregt, denn wir dürfen bei der Zeremonie teilnehmen. Als aber immer mehr Leute in den Garten kommen, fragen wir uns, ob alle in den Temazcal passen. Von aussen wirkt der Lehmbau recht klein. Aber es passen tatsächlich alle 15 Teilnehmer hinein. Geheizt wird mit großen Steinen, welche vorher im Feuer aufgeheizt und schließlich in der Mitte aufgetürmt werden. Eduardo leitet die Zeremonie und hat einen ganzen Eimer mit sämtlichen Kräutern und Unkräutern, die in seinem Garten wachsen. Mit Zweigen spritzt er Wasser auf die heißen Steine und ruft dabei die Götter der Vorfahren an. Immer wieder werden weitere heiße Steine hereingerollt. Jeder wird mit einem kollektiven „Bienvenidos, Abuelito!“ begrüßt. Wir kommen ordentlich ins Schwitzen und versuchen obendrein, die anzüglichen Witze der Gruppe zu verstehen. Aloe Vera und eine Lehmschicht sollen den Körper reinigen und wir danken Pachamama – Mutter Erde – für ihre Gaben. Beim Verlassen des Temazcal muss jeder unter dem Schlauch mit eiskaltem Wasser durchgehen.
Auch wenn wir nicht jedes Wort der Zeremonie verstanden haben, war es für uns eine einmalige Erfahrung. Näher an die einheimische Kultur, als bei einem Temazcal, gelangt man wohl nicht.
Ab auf den Feuerberg
Endlich ist die GS wieder zusammengebaut, sodass wir unsere Weiterreise antreten können. Wieder einmal heißt es Abschied nehmen von einem liebenswerten Menschen. Aber die Vulkane rufen. Im Nationalpark Iztaccihuatl und Popocatepetl wollen wir uns die beiden Gipfel bei einer Wanderung näher anschauen. Bis zum Einstieg der Wanderwege wollen wir mit dem Collectivo (Sammeltaxi) fahren. Unsere Campingplatzwirtin rät uns jedoch, mit den Motorrädern zu fahren, da die Collectivos bei Schnee und Eis auf der Straße viel zu lange brauchen. Ähm, Motorradfahren bei Schnee und Eisglätte? Wir nehmen lieber die längere Anfahrt mit dem Collectivo in Kauf. Die Straße ist indes komplett frei und der einzige Schnee, liegt auf dem Gipfel des Iztaccihuatl.
Nach dem Stress um die GS und der Hektik in den Städten genießen wir die Ruhe der Natur. Wir saugen sie förmlich in uns auf. Die Wanderung führt uns bis auf 3960 Meter. Immer noch weit entfernt vom 5220 Meter hohen Gipfel des inaktiven Vulkans Iztaccihuatl. Immer wieder haben wir Ausblicke auf die beiden Vulkane. Der sonst sehr aktive Popocatepetl versteckt sich heute lieber in den Wolken. Mit seinen 5452 Metern ist es der zweithöchste Vulkan Nordamerikas sowie der zweithöchste Berg Mexikos.
Erschütternder Anblick
Als wir unseren Campingplatz verlassen, staut sich einige hundert Meter weiter der Verkehr. Auf der Straße ist großes Polizeiaufgebot. Am Straßenrand liegt ein Motorrad und daneben lugen unter einem Müllsack die Beine des Fahrers hervor. Von Schutzkleidung oder Helm natürlich keine Spur. Kein schöner Anblick. Als wir nach über einer Stunde wieder vorbeifahren, liegt er immer noch da. Er braucht zwar keine Hilfe mehr, aber ihn unter einem Müllsack am Straßenrand liegen zu lassen ist mehr als unwürdig. Wir sind froh über unsere Schutzkleidung und verlassen die Region Richtung Guanajuato.
Die ganz besonderen Toten
In dem Bergarbeiterstädtchen, welches zum UNESCO Kulturerbe gehört, wartet eine erstaunliche Kuriosität, das Mumienmuseum – mit echte Mumien. Da hier in der Erde jegliche Feuchtigkeit fehlt, wurden die Leichnahme auf natürliche Weise mumifiziert. 1865 wurden die ersten Mumien bei Ausgrabungen entdeckt. Um auf den Friedhöfen Platz für neue Gräber zu schaffen, fanden die Mumien ihre neue Bleibe im Musem.
Die Ausstellung ist keinesfalls ein Gruselkabinett. In Glasvitrinen aufgebahrt, haben die Mumien nun ihre zweite letzte Ruhestätte und zeigen uns mit ihren teils sehr verzehrten Gesichtern, wie vergänglich unsere Körper sind.
Mit Pauken und Trompeten
Bei einer Tour zur Silbermine San Cayetano lernen wir Oswaldo aus Juarez mit seiner Familie kennen. Spontan laden sie uns ein mit ihnen am Abend an einer Callejoneada (Rundgang durch die Gassen) teilzunehmen. Ein Führer, begleitet von einer Musikkapelle, alle in historischer Kleidung laufen dabei mit der Gruppe und viel Tamtam durch die Gassen. Die Gruppe wird dabei animiert lauthals mitzusingen und zu tanzen. Ein echtes Spektakel. Nebenher werden einige Legenden und Anekdoten erzählt.
Die Woche darauf verbringen wir südlich von Guadalajarra auf dem Campingplatz von Charly. Der Schweizer ist vor vielen Jahren nach Mexiko ausgewandert und ist eine der Anlaufstellen für Overlander. Hier treffen wir auf andere Reisende, mit denen wir Infos und Reiseerlebnisse austauschen.
Silikon-Implantate
Natürlich müssen wir auch wieder schrauben. Aus der GS leckt immer noch Öl und dem wollen wir auf den Grund gehen. Es scheint an 2 Stellen rauszudrücken. Zum einen tauschen wir den Kupferring der Ölablassschraube, aber auch auf dem bereits reparierten Deckel steht schon wieder das Öl. Wir können nur vermuten, dass es sich um einen Haarriss handelt oder das Öl unter einer der Schrauben hervortritt. Also dichten wir alles großzügig mit Silikon ab. Mehr können wir jetzt nicht mehr tun.
In der Hoffnung nun endgültig alles abgedichtet zu haben fahren wir ins 300 km entfernte Tequila. Kontrolle bei der Ankunft: alles dicht! Wir schlagen unser Zelt direkt auf dem Gelände der Destillerie Puntual auf. Am späten Nachmittag machen wir mit Inhaber José einen Rundgang durch die Agavenfelder und die Destillerie. Dabei erfahren wir alles über den Anbau der blauen Weber-Agave und die Herstellung des Tequila. Natürlich dürfen wir zum Abschluß die leckeren Brände auch verkosten. Und erstarren in Ehrfurcht ob der leckeren Tropfen, die die kleine Familienbrennerei hervorbringt.
In der Stadt selber geht es hoch her. Gackernde Touristenscharen werden in Fahrzeugen – als riesige Fässer umgebaut – lärmend durch die Stadt gekarrt. Der Tequila wird hier in Tonkrügen, sogenannten Cantaritos ausgeschenkt, welche man sich an Straßenständen wieder auffüllen lassen kann. In entsprechendem Zustand befinden sich die meistenteils US-amerikanischen Touris auch.
Hinter den Bergen
Es ist kurz vor Weihnachten und wir überlegen, wie wir unsere Route fortsetzen. Richtung Pazifikküste um Puerto Vallarta, um die Feiertage am Strand zu verbringen? Klingt verlockend, wird vermutlich aber recht voll werden. So richtig auf Trubel haben wir aber keine Lust. Zudem sind dort die Preise gesalzen. Wir lesen einiges über die atemberaubende, tropische Region Huasteca-Potosina und ihre Naturwunder wie Wasserfälle, hohe Berge, Canyons und Wasserlöcher. Die Beschreibung klingt für uns so spannend, dass wir uns auf den Weg in diese entlegene Region machen. Wir sind selbst gespannt, was dort auf uns wartet und wo wir die Feiertage verbringen. Und einmal mehr werden es mitreißende Erlebnisse…
Kilometer: 40397 (+23989)
Unsere Route findet ihr wie immer hier.
Fotos:
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