Wir besuchen einige der aktivsten Vulkane Zentralamerikas. Die Temperaturen steigen, aber auch Flüsse bieten kaum Abkühlung mit ihren heißen Quellen. Neben all den Naturwundern lernen wir auch einiges über die Maya-Kultur und kochen traditionelle Gerichte.
Wir verlassen San Salvador, die Hauptstadt El Salvadors. Und obwohl wir den Großstadtmoloch hinter uns lassen, um wieder frische Bergluft zu schnuppern, fällt es uns enorm schwer. Haben wir hier doch wieder mal herzensgute Menschen kennengelernt, die wir nun zurücklassen müssen.
Die Berge halten sich eher bedeckt. Der Himmel ist meist trübe, die Sicht eher bescheiden. So ist es nun schon seit Honduras. Das sei normal gegen Ende der Trockenzeit, haben uns schon mehrere Einheimische versichert. Aber so genau, wann denn nun die Regenzeit beginnt konnten wir nicht herausfinden. Da hat wohl jeder seine eigene Theorie, und je nach Region ist es sowieso unterschiedlich. Wir werden es merken.
Die Wettergötter
In der Nähe des Vulkans Santa Ana schlagen wir unser Zelt auf einem Campingplatz auf. Hier bearbeiten wir unser Domizil vorsichtshalber noch mal mit Nahtabdichter. Kein Tag zu früh, wie wir nachts feststellen, denn prompt entlädt sich ein fieses Gewitter. Glück gehabt, alles ist trocken geblieben. Am Morgen feiert uns die Wirtin als ihre Wettergötter. Monatelang hatte sie angesichts ihres staubtrockenen Platzes und der verdorrten Vegetation auf Niederschlag gewartet. Wir haben ihn schließlich mitgebracht.
Das Wetter anderntags ist trocken und wir wollen uns den Vulkan näher anschauen. Der Santa Ana, auch Ilmatepec genannt, ist mit 2381 Meter einer der höchsten Berge des Landes, und ein immer noch aktiver Zeitgenosse. Der Vulkan ist Teil des Nationalparks Cerro Verde. Mit dem Bus fahren wir bis zum Einstieg des Nationalparks. Da der Aufstieg nur mit Guide erlaubt ist, schließen wir uns einer Reisegruppe an. Während der Wanderung erfahren wir viel über die Pflanzen, die Region und natürlich die Eruption. 2005 brach der Vulkan nach einer langen Ruhepause aus, über dem Kraterrand entstand eine mehr als 10.000 Meter hohe Rauchwolke. Tausende Menschen mussten fliehen, zwei Menschen wurden getötet.
Immer wieder kommen wir zu Aussichtspunkten, wir sehen indes nur grauen Himmel. Dennoch haben wir Glück. Als wir am Rand des Vulkans ankommen, erwartet uns ein grandioser Blick auf den türkisblauen Kratersee. Überall brodelt und dampft es in der Caldera. Deshalb ist der weitere Weg aus Sicherheitsgründen gesperrt.
Keine Abkühlung in Sicht
Unser letztes Ziel in El Salvador sind die Wasserfälle Malacatiupan. Das Spektakuläre an diesen Wasserfällen ist gar nicht die Höhe, sondern das 36°C warme Wasser. Schon der heiße Dampf, welcher uns am Ufer entgegen kommt, ist uns einfach zu viel. Beträgt doch die Lufttemperatur schon gefühlte 40 °C. Also Zelt aufbauen und abends, wenn es abkühlt, baden gehen. So denken wir. Doch es kühlt nicht ab, länger als 5 Minuten halten wir es im Wasser nicht aus. Wir fühlen uns gar gekocht. Baden wollen die aberhunderten von großen Fröschen nicht, die in der Dunkelheit den Fluss säumen und uns allenthalben interessiert, aber nicht verängstigt anglotzen.
Ein neues Land
Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen von El Salvador. Mit Guatemala wartet ein weiteres, spannendes Land auf uns. Der Grenzübertritt gestaltet sich problemlos. Schnell geht es im Land aber nicht mehr weiter. Ein LKW nach dem anderen schiebt sich hier mit tausenden von Autos über die Straße. Die Blechlawine nimmt kein Ende. Gestresst und durchgeschwitzt kommen wir in Antigua an.
Die Kolonialstadt war ehemals Hauptstadt des Generalkapitanats Guatemala, das die fünf Provinzen Costa Rica, Nicaragua, El Salvador, Honduras und Guatemala umfasste. Über 200 Jahre, bis 1773, war sie wirtschaftliches, geistiges und kulturelles Zentrum des Subkontinents. Die einzigartige Atmosphäre dieser Stadt spürt man noch heute in den alten Gassen.
Die nächsten Tage lassen wir uns durch das schmucke Städtchen treiben. Wir besichtigen alte Klöster, welche im Jahr 1773 einem verheerenden Erdbeben zum Opfer gefallen sind, schlendern über den riesigen Markt, um die einheimischen Köstlichkeiten zu probieren, und bewundern die Mayafrauen in ihren traditionellen, bunten Kleidern.
In direkter Nachbarschaft zu Antigua befinden sich gleich mehrere Feuerspeier. Neben den Vulkanen Agua (Wasser) und Fuego (Feuer) liegt der etwas weiter entfernte Pacaya. Obwohl einer der aktivsten Vulkane der Welt, ist er relativ leicht zugänglich. Immer wieder lässt der Berg seine Muskeln spielen. Zuletzt 2021, als Aschewolken bis zu einer Höhe von 3800 Metern aufstiegen und etwa drei Kilometer lange Lavaströme Farmland und die dazugehörigen Gebäude zerstörten.
Grillen im Lava-Ofen
Auch wenn wir auf unserer Reise schon einige gesehen haben, ziehen uns gerade die aktiven Feuerspeier in ihren Bann. Daher machen wir einen Ausflug zum Pacaya. Natürlich dürfen wir auch hier nicht auf eigene Faust los, und so schließen wir uns einer geführten Tour an. Die Wanderung ist tatsächlich einfach. Das Ziel ist indes nicht der Gipfel. Von einem Plateau genießen wir einen tollen Blick auf die Spitze des Pacaya und die riesigen Lavafelder. Unser Guide erklärt uns, wie sich anhand der unterschiedlichen Farben der Lava ablesen lässt, in welchem Jahr sie ausgeströmt ist.
Unser Weg führt uns nun direkt durch die Lavafelder. Immer noch ist die Wärme vom letzten Ausbruch 2021 zu spüren. Die Hitze nutzen wir, um Marshmallows zu grillen. Ein Loch im Lavafeld dient als natürlicher Ofen. Hier werden die Marshmallows auf Holzspießen hineingelegt. Raus kommen sie perfekt wie vom Grill.
Der schönste See
Wir fahren zum Lago Atitlán, dem schönsten See Mittelamerikas. Natürlich gibt es auch hier drei Vulkane, die den rund 130 Quadratkilometer großen See umgeben. Als wir bei der Anfahrt die erste Aussicht auf den See erhaschen, können wir nur erahnen, warum es der schönste See sein soll. Leider ist auch hier der Horizont bedeckt und die Gipfel der Vulkane haben sich in Wolken eingehüllt. Wir finden einen Campingplatz, den Firefly Garden, welcher idyllisch mitten im Wald liegt. Mit ein paar kleinen Hütten, einer Freiluftküche und einem großen Garten ist es eine Mischung aus Hostel und Eco-Camp. Cheyo, der Verwalter, und seine Freunde nehmen uns herzlich auf.
So verbringen wir hier ein paar entspannte Tage. Abends kochen und essen wir meistens alle zusammen. Mit Keara und Jonathan, einem Paar aus Kanada, welches hier mit einem zum Wohnmobil umgebauten Schulbus gestrandet ist, unternehmen wir eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt. Wir starten früh morgens, da um diese Zeit der Himmel noch am klarsten ist und wir tatsächlich die Spitze des Vulkans Atitlán sehen können.
An einem anderen Tag begleiten wir die beiden zu einer Gruppe von Pferden. Die Tiere werden für Touristen-Ausflüge gehalten. Aber diese Herde hat man wohl ausrangiert und sie mehr oder weniger sich selbst überlassen. Der Nachbar bringt uns Bürsten, damit wir die Vierbeiner striegeln und ihnen wenigstens den groben Dreck aus dem Fell bürsten können. Die meisten sehen kränklich aus und haben tiefe Narben und Wunden. Sie scheinen unsere Zuwendung sehr zu genießen und rangeln darum, wer zuerst gestreichelt und gestriegelt werden soll. Leider wissen wir auch, dass dies nicht von Dauer ist. Einziger Trost: Keara und Johnathan kommen in regelmäßigen Abständen her.
Kochen wie die Maya
In San Pedro La Laguna, einem verwinkelten Dorf am Ufer des Sees, treffen wir uns mit Anita, einer indigenen Selfmade-Frau. Seit einigen Jahren betreibt Anita eine Kochschule für die traditionelle Maya-Küche. Wir schlendern mit ihr über den Markt und kaufen frisches Gemüse, Kräuter, Huhn und Früchte, welche wir unter Anleitung der sympathischen Indigena zu schmackhaften Gerichten verwandeln wollen.
Die Mittdreißigerin wird freundlich gegrüßt, hier und da hält sie ein Schwätzchen in ihrer Maya-Sprache. Doch das war beileibe nicht immer so. Noch vor nicht allzu langer Zeit war Anita eine Ausgestoßene, mit der niemand etwas zu schaffen haben wollte, nicht einmal die eigene Familie.
Kurz vor dem Selbstmord
Schon als kleines Mädchen hat sie Bananen an Touristen verkauft – und dabei rasch die Englische Sprache erlernt. Fortan träumte sie davon, in der Tourismusbranche zu arbeiten. Eigenes Geld zu verdienen ist indes für Maya-Frauen undenkbar. Die Geschlechterrolle sieht Küche, Kinder und das Bedienen der Männer als Lebensinhalt vor.
Als sie einen Job bei einem Hotel annahm, warf ihre Mutter sie aus dem Haus, der Rest der Familie kappte alle Verbindungen. Im Dorf wollte niemand ein Wort mit ihr wechseln, ihre Ehe zerbrach, ihr Leben lag in Trümmern.
Nicht mehr weit vom Suizid entfernt, nahm alles doch noch eine positive Wendung: Eine Touristin half ihr beim Kochen und war hellauf begeistert von ihren Fähigkeiten. Die Kunde verbreitete sich in der lokalen Tourismusbranche wie ein Lauffeuer und schon bald eröffnete Anita ihre eigene Maya-Kochschule. Das Dorf hat schließlich seinen Frieden mit ihr gemacht und würdigt heute ihre Leistung für die Gemeinde.
Edle Tropfen
Wir machen uns wieder auf den Weg mit dem Ziel Quetzaltenango. Die Mayas nennen den 140.000-Einwohner-Ort „Xela“. Die Sehenswürdigkeiten der zweitgrößten Stadt Guatemalas beschränken sich hauptsächlich auf die Gebäude im neoklassizistischen Stil in der Altstadt. Uns zieht es eher wegen der „Casa Botran“ hierher. Die Anlage gehört zur guatemaltekischen Rum-Marke Botran, die hier in Quetzaltenango zwar nicht destilliert, aber im Solera-Verfahren gereift und schließlich abgefüllt wird. Im Museum lernen wir bei einer Tour alles über die 80jährige Geschichte der Familie Botran sowie ihrer feinen Produkte und dürfen bei einem anschließenden Tasting die bis zu 21 Jahre gereiften edlen Tropfen probieren. Ein Genuss der Extraklasse!
Freier Fall in den Canyon
Quetzaltenango liegt auf einer Höhe von 2234 m. So können wir bei angenehmen Temperaturen durchstarten. Wir verlassen die gut ausgebaute Nationalstraße und biegen ab auf eine Geröllpiste. Erst lässt sie sich noch gut befahren und es macht Spaß durch die einsame Berglandschaft, vorbei an Kakteen zu fahren. Schließlich windet sich die Piste in engen, höllisch steilen Serpentinen hinab in einen Canyon. Nach einer Kurve wird es dann so steil, dass wir das Gefühl haben im freien Fall zu sein. Stück für Stück kämpfen wir uns durch das lose, tiefe Geröll bis nach unten. Aber der atemberaubende Blick in den Canyon und seine schroffen Steilwände fesselt uns.
Der Kampf
Die beladenen BMW sind hier deutlich zu schwer. Was mit einer stollenbereiften Sportenduro wahrscheinlich einen diebischen Spaß gemacht hätte, wird mit den beiden dicken Einzylindern zur Schwerstarbeit. Wir sind nassgeschwitzt und schließlich völlig entkräftet, immer wieder bleiben wir im Geröll stecken, immer wieder liegen die beiden Kälber auf der Seite. Natürlich müssen wir uns auf der anderen Seite des Flusses auch wieder nach oben kämpfen. Wieder durch steiles Geläuf, wieder durch tiefes Geröll. „Noch zwei schwierige Stellen, ab dann geht es.“ sagt uns ein entgegenkommender Fahrer. Und er hat recht, einige Stürze weiter, dann lässt es sich wieder gut fahren bis in die aus dem 16. Jahrhundert stammende Kaffeestadt Cobán.
Bis wir unser Ziel erreichen, verfärbt der Himmel sich bräunlich-gelblich und es wird ungewöhnlich früh dunkel. Abends erfahren wir, dass der Vulkan Fuego bei Antigua ausgebrochen ist. Asche und Gase haben den Horizont eingenebelt und blockieren das abendliche Sonnenlicht.
Wir zelten auf der Kaffeeplantage „Chicoj“. Eine Kaffeekooperative der Kekchí Gemeinde. Die Kekchí sind eine zu den Maya gehörende Ethnie. Ihre Sprache gehört zu den meistgesprochenen Maya-Idiomen. Bei einem Rundgang erklärt uns Gladis, eine junge Indigena, alles über die Kooperative und den Kaffee.
Wo das Wasser verschwindet
Unsere weitere Fahrt führt uns zum nächsten Naturwunder, dem Semuc Champay (zu deutsch: dort wo das Wasser verschwindet). In einem engen, dichtbewachsenen Canyon befindet sich eine Ansammlung von türkisblauen Pools, die zum Baden einladen. Das Besondere hier ist, dass die Pools eine natürliche Kalksteinbrücke bilden und der Fluss Cahabón darunter hindurch fliest. Auf der anderen Seite, wo ein Wasserfall entsteht, tritt er wieder heraus. Hier verbringen wir den ganzen Tag und kühlen uns in den verschiedenen Becken ab.
Die nächsten Naturschönheiten warten am Izabal-See auf uns. Wieder gibt es einen heißen Wasserfall. Wir steigen in das angenehme, kühle Flusswasser, das heisse Nass kommt mit bis zu 40 Grad von oben. Auch hier halten wir es wegen der warmen Temperaturen nicht lange aus und besuchen den Boqueron Canyon. Im Fluss schwimmend und watend dringen wir immer weiter vor in die enge Schlucht mit ihren steil aufragenden Felswänden und ihren vom Wasser über Jahrhunderte hinweg bizarr geformten Felsen. Wir genießen das kühle, glasklare Flusswasser und die absolute Einsamkeit. Außer dem Rauschen des Flusses sind nur Vögel und Brüllaffen zu hören.
Das kleine Guatemala
Tags darauf machen wir einen Ausflug nach Livingston, eine Kleinstadt an der Karibikküste, welche nur per Boot über den Rio Dulce erreichbar ist. Livingston wird auch als Guatemala in klein bezeichnet. Garifuna (eine dunkelhäutige, afrokaribische Volksgruppe), Ladinos und Indigenas bilden hier eine multi-ethnische Gemeinschaft. Wir schlendern durch das verschlafene Städtchen und bewundern die bunten, hölzernen Häuser. Immer wieder halten wir Schwätzchen mit den freundlichen Garifuna, die uns gern über ihre Herkunft, ihre Kultur und ihr Leben erzählen.
Am Strand erwartet uns das übliche Bild, jede Menge angeschwemmter Plastikmüll. Flächendeckend. Das macht uns zutiefst traurig. Die Kinder stört es weniger, vergnügt planschen sie in der Brandung. Wir trauen unseren Augen nicht, als wir einen Jungen sehen, der stehend in einem großen Kasten durch die Wellen paddelt. Es ist tatsächlich ein alter Kühlschrank. So geht Recycling hier.
Wir halten uns gen Norden und wollen mehr über die Maya erfahren. Schließlich werden wir atemberaubende Stätten und Kulturschätze sehen und einige der prägendsten Eindrücke in unserem gesamten Leben sammeln…
Kilometer: 28989 (+23989)
Unsere Route findet ihr wie immer hier.
Fotos:
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