Ich stehe in der Metzgerei und bin an der Reihe, bin unschlüssig was ich bestellen soll. Ein viertel Pfund Internet, und zwar am Stück.
Doch es funktioniert, als wäre es völlig normal verkauft mir der Metzger die Aufladungen für unsere Handys und mit meinem doch noch sehr holprigen Spanisch bringe ich ihn sogar dazu es direkt einzurichten.
Edoardo, unser Campingwirt wartet draußen im Wagen. Er muss lachen als ich ihm erkläre, daß ich als Vegetarier lieber fleischloses Internet hätte.
Wir sind von Valparaiso nach Pichilemu gefahren. Auf dem Weg dorthin hat uns die Navi App über eine Stunde über eine holprige Piste durch das beeindruckend schöne Hinterland geschickt. Duftende Kiefernwälder wechselten sich ab mit bizarren Felsformationen, grüne Pferdekoppeln mit wilden Bachläufen. Endstation der Offroadhatz war eine malerische, einsame Pazifik-Bucht mit einer von Vögeln gesäumten Lagune. Prompt gruben sich unsere Hinterräder in den tiefen schwarzen Küstensand ein und erinnerten uns daran, dass wir nun nicht mehr die Grobstoller am Heck montiert hatten. Am liebsten hätten wir unser Zelt hier direkt aufgeschlagen. Aber wir hatten weder Wasser noch sonstige Vorräte dabei. Also doch weiter in Richtung unseres geplanten Ziels.
Pichilemu wirkt etwas verschlafen, kann auch am trüben Wetter liegen. In den Sommermonaten trifft sich hier in dem einstigen Seebad des chilenischen Landadels die Surfelite der Welt. Aberhunderte noch verrammelter Verkaufsbuden lassen uns ahnen, welcher Touri-Nepp hier in der Hochsaison herrschen dürfte. Für uns hat es jedoch wenig zu bieten.
Cathy und Esteban, 2 Wahlschweizer die wir auf dem Campingplatz kennenlernen sind mit dem Fahrrad von Santiago hergekommen. Für die beiden ist es auch nur eine Zwischenstation um die weitere Route nach Süden zu planen. Der Campingplatz selbst ist ziemlich verwittert und hat auch schon bessere Tage gesehen, dafür hat unsere Parzelle Vollausstattung mit einer Essecke und einem Vorratsschrank in dem wir unsere frisch eingekauften Lebensmittel verstauen. In der zweiten Nacht ist kaum an Schlaf zu denken, da direkt angrenzend ein paar Skater ihre Runden auf der Halfpipe drehen und dazu laute Mucke aus der Konserve aufgedreht haben. Auch die Ansage von Edoardo, dass um 22 Uhr Nachtruhe ist wird ignoriert.
Unser nächstes Ziel ist der Nationalpark Siete Tazas bei Radal. Die letzten Kilometer geht es über eine staubige Piste. Ich sehe kaum noch was durch mein verdrecktes Visier. Aber öffnen und Staub schlucken ist auch keine Alternative. Dafür macht der Wildbach Rio Claro, an dem wir unser Zelt aufschlagen, seinem Namen alle Ehre. Der Platz ist wunderschön im Grünen gelegen und wir stellen fest, daß hier sogar Bambus wächst. Zwischen den Zelten laufen die Hühner frei herum. Einziger Nachteil: Es gibt nur kaltes Wasser. Unsere Tanks sind schon ziemlich leer und wir brauchen noch Benzin zum Kochen. Das besorge ich beim Minimarkt um die Ecke. Abgefüllt aus einer Bierflasche, hoffe ich, daß es wirklich Benzin ist, was ich bekomme.
Im Nationalpark legen wir einen Wandertag ein und schauen uns die „7 Tassen“ an. Dies sind sieben durch Wasserfälle verbundene Wasserbecken. Ein wirklich schönes Naturschauspiel.
Die nächste Begegnung erinnert mich daran immer das Innenzelt gut zuzumachen. Etwa handtellergroß, auf 8 Beinen und behaart, gehört die Tarantel nicht gerade zu meinen Lieblingskuscheltieren. Trotzdem finde ich es toll, diese Tiere hier in der freien Natur zu erleben und nicht irgendwo hinter Glas.
Abends steht unsere erste Schrauberstunde an. Bei Toms Dakar hat sich im Vorderrad der Schlauch auf der Felge verschoben – von außen am schräg stehenden Ventil gut zu erkennen. Das Problem: Wandert er noch weiter, so reißt das Ventil ab – eine Reifenpanne wäre die Folge. Also schnell Rad ausbauen und gerade ziehen, um Schlimmeres zu vermeiden.
Als wir am nächsten Morgen unser Zelt wieder abbauen fängt es gerade an zu regnen, es ist kühl und ungemütlich. Vorteil, es staubt nicht mehr so auf der Piste. Schön ist anders. Trotzdem: Während wir uns über 60 km hinweg durch Schlamm und Schotter quälen kommt mir der Gedanke, dass ich jetzt genau hier sein möchte und für nichts tauschen möchte, um zu Hause auf der Couch zu liegen. Genau das gehört zum Reisen dazu – und es ist erst der Anfang.
Toms Halswirbel ist die Piste leider nicht so gut bekommen. Erst eine Woche vor Abflug hatte er die Diagnose eines Bandscheidenvorfalls an der Halswirbelsäule bekommen. Deshalb legen wir im Valle del Maule bei den Thermen El Médano einen Wellnesstag ein. Die Region am Fuß der chilenisch-argentinischen Zentralanden gehört zu den geologisch aktivsten Regionen der Welt. Hier gibt es ein Naturbecken neben dem Fluss mit warmem Wasser, in dem wir ein Bad nehmen. Bereits hier zeigt sich, dass Tom schon keine Schwimmbewegungen mehr ausführen kann. Über einen Trampelpfad den Berg hinauf erreicht man auch drei Holzhütten. Da hier heißer Dampf aus den Felsspalten kommt haben die Einheimischen diese Hütten als Sauna davor gebaut. Hier lässt es sich eine Weile aushalten. In Schwärmen fliegen immer wieder Papageien in schwarz-gelbem Gefieder über uns hinweg.
Bei strahlend blauem Himmel fahren wir ein Stück die Passtrasse Richtung argentinische Grenze entlang. Es gibt viel zu sehen zwischen den noch mit Schneefeldern bedeckten Hügeln. Die Felsen haben einfach einzigartige Formen und Farben. Allenthalben tauchen in dem schroffen Gestein runde, anders gefärbte Feldformationen auf, als ob sie dort jemand hinein gesteckt hätte. Immer wieder säumen Wasserfälle unseren Weg.
Leider hatten die Thermen nicht den gewünschten Effekt bei Tom. Er kann den Kopf nicht mehr hoch genug bewegen, um die Gipfel noch zu sehen. Die Schmerzen werden immer stärker und sind nur noch unter Medikamenten zu ertragen. Wir beschließen nach Constitución zu fahren. Hier in dem Badeort mit etwa 40.000 Einwohnern hoffen wir Hilfe zu finden. Wir erfahren, dass es im Umkreis einen einzigen Chiropraktiker gibt der einmal die Woche in der Stadt ist. Zum Glück ist dies gerade der nächste Tag und es gibt auch einen freien Termin.
Den Abend können wir leider nicht genießen, bange warten wir auf morgen. Denn unsere große Reise steht schon jetzt auf der Kippe, noch bevor sie richtig angefangen hat. Hoffentlich kann er Tom helfen damit wir unsere Reise fortsetzen können. Oder lautet das Urteil: ab unters Messer? Und damit zurück nach Deutschland?